Leitsatz

Die Verwirkung eines Unterlassungsanspruchs wegen der zweckwidrigen Nutzung einer Teileigentumseinheit schützt den Eigentümer der Teileigentumseinheit davor, dass er das bislang geduldete Verhalten ändern oder aufgeben muss, vermittelt ihm jedoch nicht allgemein die Rechtsposition, die er innehätte, wenn die Nutzung von einer Vereinbarung oder von der Teilungserklärung gedeckt wäre.

Eine Teileigentumseinheit, die nach der Teilungserklärung als Ladenraum dient, darf jedenfalls dann nicht als Gaststätte mit nächtlichen Öffnungszeiten genutzt werden, wenn das maßgebliche Landesrecht die nächtliche Öffnung von Verkaufsstellen untersagt.

 

Normenkette

§§ 10 Abs. 6 Satz 3, 15 Abs. 3 WEG

 

Das Problem

  1. B erwirbt 1995 eine Teileigentumseinheit, die in der Teilungserklärung als "Ladenraum" bezeichnet wird. Darin betreibt ihr Neffe eine Gaststätte, die nach Freigabe der Öffnungszeiten jedenfalls seit dem Jahr 2007 bis in die frühen Morgenstunden geöffnet ist. In der Versammlung vom 10. Mai 2011 beschließen die Wohnungseigentümer, dass "die derzeit vorhandenen Gaststätten und Restaurantbetriebe bis ein Uhr nachts geöffnet sein dürfen". Zugleich wird Verwalter V "beauftragt und bevollmächtigt, die Durchführung dieses Beschlusses mit anwaltlicher Hilfe gerichtlich durchzusetzen". Der Beschluss wird bestandskräftig.
  2. Die Klage, mit der die übrigen Wohnungseigentümer B dazu verurteilen lassen wollen, die Gaststätte nicht nach ein Uhr nachts zu betreiben und offenzuhalten, bleibt in den Vorinstanzen ohne Erfolg. Das Landgericht sieht die Bezeichnung als "Ladenraum" als Zweckbestimmung an, lässt jedoch dahinstehen, ob der Betrieb einer Gaststätte hiermit unvereinbar ist. Ein etwaiger Unterlassungsanspruch sei jedenfalls verwirkt. B habe zumindest seit 1989, zunächst als Pächterin und dann als Eigentümerin, die Gaststätte betrieben. Die Verwirkung müssten sich etwaige Sonderrechtsnachfolger entgegenhalten lassen. Mit der Revision verfolgen die übrigen Wohnungseigentümer ihr Klageziel zunächst weiter. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof erklärt ihre Prozessbevollmächtigte, dass anstelle der bisherigen Kläger die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in den Prozess eintrete.
 

Die Entscheidung

  1. Die Revision hat Erfolg. Allerdings habe das Landgericht die Klage ohne nähere Begründung zu Unrecht als zulässig angesehen. Die Auslegung der Klage ergebe, dass die Klage im Namen der Wohnungseigentümer (mit Ausnahme von B) erhoben worden sei. Die Wohnungseigentümer seien aber nicht prozessführungsbefugt gewesen, weil der am 10. Mai 2011 gefasste Beschluss die alleinige Prozessführungsbefugnis der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer begründet habe. Für Unterlassungsansprüche aus dem Miteigentum an dem Grundstück bestehe zwar keine geborene Ausübungsbefugnis der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Indem V zur gerichtlichen Durchsetzung der zuvor beschlossenen Öffnungszeiten für Gaststätten und Restaurantbetriebe in der Wohnungseigentumsanlage beauftragt und bevollmächtigt wurde, sei aber eine gekorene Ausübungsbefugnis begründet worden. Die Begründung habe zur Folge, dass die einzelnen Wohnungseigentümer nicht mehr prozessführungsbefugt seien (Hinweis auf BGH v. 5.12.2014, V ZR 5/14, BGHZ 203 S. 327 Rn. 13 ff.). Die Klage sei jedoch zulässig geworden, nachdem die Prozessbevollmächtigte der klagenden Wohnungseigentümer in der mündlichen Verhandlung den Parteiwechsel auf Klägerseite erklärt habe.
  2. Das Recht, Unterlassung zu verlangen, sei nicht verwirkt. Ein Recht sei verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten dürfe und eingerichtet habe, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, und deswegen die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstoße. An dem sogenannten Zeitmoment fehle es in der Regel, wenn eine wiederholte Störung einen neuen Anspruch auslöse (st. Rspr., Hinweis unter anderem auf BGH v. 8.5.2015, V ZR 178/14, ZWE 2015 S. 262 Rn. 12). Daran gemessen läge keine Verwirkung vor. Die Verwirkung eines Unterlassungsanspruchs wegen der zweckwidrigen Nutzung einer Teileigentumseinheit schütze deren Eigentümer davor, dass er das bislang geduldete Verhalten ändern oder aufgeben müsse, vermittle ihm jedoch nicht allgemein die Rechtsposition, die er innehätte, wenn die Nutzung von der Teilungserklärung gedeckt wäre. Insbesondere begründe sie nicht das Recht, neue nachteilige Veränderungen vorzunehmen, die qualitativ eigenständige Störungen darstellten. Um solche neuen, eigenständigen Störungen gehe es. Die Gaststätte sei vor dem Jahr 2007 nicht in den Nachtstunden betrieben worden. Die Ausweitung der Öffnungszeiten über ein Uhr nachts hinaus begründe Unterlassungsansprüche, die frühestens im Jahr 2007 entstanden seien. Diese seien alleiniger Gegenstand der Klage, da der Betrieb der Gaststätte ansonsten hingenommen werde.
  3. Die Entscheidung erweise sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Die Re...

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