Leitsatz

Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche aus dem Miteigentum am WEG-Grundstück gegen einen Nachbarn des WEG-Grundstücks sind nicht im Sinne von § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG gemeinschaftsbezogen.

 

Normenkette

BGB § 1004 Abs. 1; WEG § 10 Abs. 6 Satz 3

 

Das Problem

  1. Das Grundstück der Wohnungseigentümer grenzt in dem Bereich, in dem der klagenden Wohnungseigentümerin K ein Sondernutzungsrecht an einem Garten zusteht, an das Grundstück des B. Dessen Haus ist über einen im Grenzbereich der beiden Grundstücke gelegenen Weg erreichbar. Der Weg verläuft teilweise über das Grundstück der Wohnungseigentümer. Das Zugangsrecht wird durch 2 Grunddienstbarkeiten gesichert, die zulasten des Grundstücks der Wohnungseigentümer und zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks des B im Grundbuch eingetragen sind. In der Bestellungsurkunde für die erste Grunddienstbarkeit vom 30. November 1981 heißt es unter anderem:

    Das Recht berechtigt zum ungehinderten Zugang zu dem berechtigten Grundstück auf der beschriebenen Teilfläche. Die Teilfläche darf nicht verstellt werden. …

    Als Inhalt der Grunddienstbarkeit ist weiter vereinbart, dass die Unterhaltskosten des Zugangs der Eigentümer des berechtigten Grundstücks trägt. Eine weitere, im Jahr 1986 bestellte Grunddienstbarkeit bestimmt, dass das Übergangsrecht direkt von der Straße her über das belastete Grundstück ausgeübt werden kann.

  2. B hat auf dem vor seinem Haus befindlichen Teil des Zugangswegs eine Holzwand, eine Gartenbank, Pflanzkübel, Blumenkästen, Figuren und ein Gestell aufgestellt. K verlangt die Entfernung dieser Gegenstände, soweit sie sich auf dem den Wohnungseigentümern gehörenden Bereich des Zugangsweges befinden, die künftige Unterlassung der Aufstellung von Gegenständen sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
  3. Das Amtsgericht weist die Klage ab, das Landgericht die Berufung der K zurück. K sei schon nicht zur Geltendmachung von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen berechtigt. Vielmehr stehe der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer eine "geborene Ausübungsbefugnis gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG" zu. Die Ansprüche seien gemeinschaftsbezogen, weil es um die Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums wegen Verletzung einer auf dem gesamten gemeinschaftlichen Eigentum lastenden Grunddienstbarkeit gehe. Zudem richte sich der Anspruch gegen einen Dritten. Dieser könnte einer Vielzahl von Klagen einzelner Eigentümer ausgesetzt sein, ohne dass eine Rechtskrafterstreckung einträte. Überdies widerspräche die Möglichkeit mehrerer Verfahren gegen den Dritten den Grundsätzen der einheitlichen Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums nach § 21 Abs. 1 WEG. Denn es könne über das "Wie" der Beseitigung der Störung erhebliche Meinungsunterschiede geben; dies mache eine gemeinsame Entscheidung im Rahmen der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums notwendig.
  4. Mit der Revision verfolgt K ihr Begehren weiter. Mit Erfolg!
 

Die Entscheidung

K sei befugt, den Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB gegen den Beklagten gerichtlich geltend zu machen.

Überblick zur Prozessführungsbefugnis

  1. Dies folge allerdings nicht schon daraus, dass das Grundstück im Miteigentum sämtlicher Wohnungseigentümer stehe und daher bei Störungen des Miteigentums allein die Wohnungseigentümer Inhaber des Anspruchs nach § 1004 Abs. 1 BGB seien. Von der materiellen Inhaberschaft des Rechts (Aktivlegitimation) zu unterscheiden sei die – die Zulässigkeit der Klage betreffende – Frage, ob der einzelne Wohnungseigentümer die Befugnis besitze, Ansprüche, die aus dem Miteigentum folgen, selbstständig gerichtlich geltend zu machen.
  2. Bestehe eine geborene Ausübungsbefugnis der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (§ 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG) oder habe die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Ausübungsbefugnis durch einen entsprechenden Beschluss an sich gezogen (gekorene Ausübungsbefugnis, § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG), fehle es an der Prozessführungsbefugnis des einzelnen Wohnungseigentümers. Diese stehe dann allein der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu (Hinweis unter anderem auf BGH v. 10.7.2015, V ZR 169/14, NJW 2016 S. 53 Rn. 6).

Keine geborene Ausübungsbefugnis der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer

Der von K geltend gemachte Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch sei indessen weder gemeinschaftsbezogen noch hätten die Wohnungseigentümer ihn vergemeinschaftet.

  1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bestehe für Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche aus dem Miteigentum an dem Grundstück gemäß § 1004 Abs. 1 BGB – anders als etwa für Schadensersatzansprüche – keine geborene Ausübungsbefugnis der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG, sondern lediglich eine gekorene Ausübungsbefugnis gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG.
  2. Dies gelte nicht nur, wenn sich die Ansprüche gegen einen anderen Wohnungseigentümer richteten, sondern auch dann, wenn – wie im Fall – Anspruchsgegner ein außerhalb der Wohnun...

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