Leitsatz

Die Kündigungsbeschränkung des § 577a BGB bei Umwandlung von vermieteten Wohnräumen in Wohnungseigentum gilt nur für Eigenbedarfs- oder Verwertungskündigungen (§ 573 Abs. 1 S. 1 BGB) und ist auf andere Kündigungsgründe i. S. v. § 573 Abs. 1 S. 1 BGB nicht analog anwendbar.

(amtlicher Leitsatz des BGH)

 

Normenkette

BGB § 577a

 

Kommentar

Zwischen dem Eigentümer und den Mietern bestand seit dem 1.8.1999 ein Mietverhältnis über eine in München gelegene Wohnung. Im April 2002 wurde das Gebäude in Wohnungseigentum umgewandelt. Die Wohnung der Mieter wurde im Juli 2002 an eine im selben Haus wohnende Erwerberin veräußert. Diese kündigte das Mietverhältnis am 31.7.2006 zum 31.1.2007. Zur Begründung der Kündigung hat die Erwerberin geltend gemacht, sie benötige die Einzimmerwohnung für ein Au-pair-Mädchen zur Betreuung ihrer sechs und neun Jahre alten Kinder und ihrer pflegebedürftigen Mutter. Da in München gem. § 577a Abs. 2 BGB eine zehnjährige Kündigungssperre besteht, stellt sich die Frage, ob das Mietverhältnis durch diese Kündigung beendet wurde.

Dies wird vom BGH bejaht. Ist an vermieteten Wohnräumen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet und das Wohnungseigentum veräußert worden, kann sich der Erwerber "auf berechtigte Interessen i. S. d. § 573 Abs. 2 Nr. 2 oder 3" erst nach Ablauf der in der jeweiligen Gemeinde maßgeblichen Sperrfrist berufen. Nach dem Wortlaut der Regelung ist nur die Eigenbedarfskündigung (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) und die Kündigung wegen anderweitiger wirtschaftlicher Verwertung (§ 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB) ausgeschlossen.

Eigenbedarf liegt vor, wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt. Haushaltsangehöriger ist nur, wer bereits zum Haushalt des Vermieters gehört. Will der Vermieter dagegen eine Person mit eigenem Wohnraum versorgen, die bisher nicht zu seinem Haushalt zählt, so kann nach § 573 Abs. 1 BGB gekündigt werden (Blank in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 9. Aufl., § 573 BGB Rdn. 50 m. w. N.).

Dies führt zu der weiteren Frage, ob § 577a BGB auf diese Kündigung analog anzuwenden ist. Dies wird überwiegend verneint (Häublein in: MüKomm, § 577a Rdn. 9; Rolfs in: Staudinger (2006), § 577a Rdn. 25; Soergel/Heintzmann, BGB, 13. Aufl., § 577a BGB Rdn. 2; Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., Rdn. IV 146; Herrlein in: Herrlein/Kandelhard, Mietrecht, 3. Aufl., § 577a Rdn. 5; Haug in: Emmerich/Sonnenschein, Miete, § 577a BGB Rdn. 11; a. A.: Blank in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 9. Aufl., § 577a Rdn. 18). Der BGH folgt der herrschenden Meinung. Der Gesetzgeber habe die Kündigungssperre bewusst auf die Fälle der Eigenbedarfs- und Verwertungskündigung beschränkt. Eine planwidrige Gesetzeslücke bestehe nicht. Für eine analoge Anwendung des § 577a BGB sei deshalb kein Raum.

Anmerkung

Die Entscheidung ist für alle Fälle von Bedeutung, in denen die Wohnung nach der Umwandlung und Veräußerung zugunsten eines Arbeitnehmers des Erwerbers gekündigt werden soll (sog. Betriebsbedarf). Nach der Rechtsprechung des BGH kann sich ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses "daraus ergeben, dass einem Mitarbeiter seines Unternehmens aus betrieblichen Gründen eine an einen Betriebsfremden vermietete Wohnung zur Verfügung gestellt werden soll, sofern der Vermieter vernünftige Gründe für die Inanspruchnahme der Wohnung hat, die den Nutzungswunsch nachvollziehbar erscheinen lassen" (BGH, Urteil v. 11.3.2009, VIII ZR 127/08, NJW 2009, 1808).

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 11.03.2009, VIII ZR 127/08BGH, Urteil v. 11.3.2009, VIII ZR 127/08, NJW 2009, 1808 m. Anm. Blank, jurisPR-MietR 12/2009 Anm. 2

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