Nach § 1684 Abs. 4 Satz 1 BGB kann das Familiengericht das Umgangsrecht einschränken oder ausschließen, soweit dies zum Wohle des Kindes erforderlich ist.[1] Auf längere Zeit kommt eine Aussetzung oder ein Ausschluss als äußerste Maßnahme nur in Betracht, wenn anderenfalls das Kindeswohl gefährdet wäre, § 1684 Abs. 4 Satz 2 BGB.

§ 1684 I Abs. 4 Satz 1 BGB entspricht dem Maßstab des § 1696 Abs. 1 BGB. Das Gericht hat die familiäre Situation gem. § 26 FamFG umfassend aufzuklären und ggf. mit gutachterlicher Hilfe die Möglichkeiten für das Kind möglichst konfliktfreier Anbahnung bzw. Aufrechterhaltung von Kontakten zu prüfen. Liegen Gründe vor, die befürchten lassen, dass sich das Kind ohne Einschränkung oder Ausschluss des Umgangs nachteilig entwickeln könnte, ist unter Beachtung des Gebotes eines geringstmöglichen Eingriffs zu prüfen, welche Maßnahmen notwendig sind.

[1] KG, FuR 2021, 202 mit Anm. Faber; OLG Frankfurt/M., FamRZ 2019, 1865; AG Recklinghausen, FuR 2021, 103 mit Anm. Thormeyer.

6.3.1.1 Der Prüfungsmaßstab des BVerfG

Das Bundesverfassungsgericht setzt die Prüfungsmaßstäbe sehr hoch an. In einem Beschluss vom 5.12.2008[1] hat es erklärt:

(1) Der materiell-rechtliche Gehalt von Art. 6 Abs. 2 GG i. V. m. dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebietet es, vor Ausschluss des Umgangs eine Einschränkung des Umgangs (begleiteter Umgang oder Einrichtung einer Umgangspflegschaft) zu prüfen.

(2)Der verfahrensrechtliche Gehalt von Art. 6 Abs. 2 GG erfordert u. a., dass die Gerichte sich eine zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung über das Umgangsrecht verschaffen (hier: fehlende Einholung eines Sachverständigengutachtens, Unterlassen einer erneuten richterlichen Kindesanhörung, fehlende Anhörung der Eltern zur Möglichkeit eines – ggf. begleiteten – Umgangs in der Beschwerdeinstanz).

Es muss sich um konkrete, sehr gewichtige Gründe handeln, die das Wohl des Kindes nachhaltig berühren.

Das Bundesverfassungsgericht[2] hat hierzu u. a. ausgeführt: "Eine Einschränkung oder der Ausschuss des Umgangsrechts kommen dann in Betracht, wenn nach den Umständen des Einzelfalls der Schutz des Kindes dies erfordert, um eine Gefährdung seiner seelischen oder körperlichen Entwicklung abzuwenden".

Zur Gefahr für Leib oder Leben der Kindesmutter hat das Bundesverfassungsgericht erklärt[3]:

Umgangskontakte mit dem in der rechtsradikalen Szene aktiven Vater sind bei akuter Gefahr für körperliche Unversehrtheit und Leben der Mutter als Hauptbezugsperson der betroffenen Kinder auszuschließen.

Die Mutter war ihrerseits Aussteigerin aus der rechtsradikalen Szene. Das BVerfG hat hinsichtlich der Kinder hinzugefügt, dass Umgangskontakte mit dem Vater nach der gegebenen Situation (Zeugenschutzprogramm der Mutter) eine nicht hinnehmbare psychische Belastung für die Kinder darstellen.

Einem Inhaftierten darf der Umgang mit dem Kind nur ausnahmsweise versagt werden. So liegt es nicht, wenn der Inhaftierte intensive Resozialisierungsbemühungen entfaltet hat und deshalb regelmäßig eine seelische oder körperliche Gefährdung des Kindes nicht angenommen werden kann. Zudem ist es Aufgabe des Staates, so das Bundesverfassungsgericht, die Voraussetzungen für einen kindeswohlgerechten Umgang ohne Verletzung öffentlicher Sicherheitsinteressen zu schaffen.

Allein wegen des Alters des Kindes ist ein Ausschluss nicht möglich. Das Umgangsrecht auch mit einem Säugling besteht uneingeschränkt. Auf diese Weise wird der Gefahr einer dauerhaften Entfremdung vorgebeugt.

Alle konkreten, in Betracht kommenden Fallkonstellationen sind jeweils darauf zu prüfen, ob ein geringerer Eingriff ausreicht.

6.3.1.2 Die Rechtsprechung im Einzelnen:

Zeitliche Einschränkung

  • Jahrelanger Umgangsrechtsabbruch führt nicht zum Ausschluss, da hierdurch die Entfremdung verstärkt würde. Die Beziehung ist über einen zeitlich eingeschränkten Umgang langsam wieder aufzubauen.
  • Erhebliche Einschränkung auf jeweils 11/2 Stunden alle 6 Wochen in Anwesenheit der Pflegeeltern und einer weiteren, vom Jugendamt zu bestimmenden Person für zwei sechs- und neuneinhalbjährige Kinder, die zuvor bei häufigerem Umgang sehr starke und lang anhaltende Auffälligkeiten zeigten.
  • 1 Stunde pro Monat begleiteter Umgang des Vaters mit dem Kind, das als Folge einer von ihm im Kleinkindalter zugefügten Misshandlung schwerst pflegebedürftig ist.

Räumliche Einschränkung

  • Bei vorangegangener Entführung kann verboten werden, mit dem Kind Deutschland zu verlassen.
  • Eine Verpflichtung zur Hinterlegung des Passes ist wegen der Passhoheit eines ausländischen Staates unzulässig.
  • Einem Sicherungsbedürfnis kann auch dadurch Rechnung getragen werden, dass der Umgang in der Wohnung des Aufenthalts-Elternteils stattfindet.

Einschränkung bezüglich Personenkreis

  • Werden die Kinder durch die Eltern des umgangsberechtigten Vaters psychisch belastet, kann diesem aufgegeben werden, Besuche bei seinen Eltern in den nächsten Jahren auf jeweils wenige Tag...

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