5.2.1 Das gesetzliche Modell der Betreuung von Kindern

Es gibt kein vom Gesetz vorgeschriebenes Modell des Zusammenlebens zwischen voneinander getrenntlebenden Eltern und ihren Kindern. Zu Recht ist Eltern und Kindern freigestellt, wie der Umfang und die Ausgestaltung des Zusammenlebens zwischen ihnen organisiert wird.

Dies war nicht immer so. Dem nach früherem Recht alleinschuldig geschiedenen Ehepartner stand keinerlei Bestimmungsrecht zur Betreuung des Kindes zu. Waren beide Ehegatten "für schuldig erklärt", § 1635 BGB a. F., so bestimmte für Söhne unter 6 Jahren und für Töchter die Kindesmutter, für ältere Söhne der Kindesvater das Zusammenleben. Grundsätzlich stand dem Kindesvater die alleinige elterliche Sorge zu, § 1627 BGB a. F.. Der andere Elternteil behielt die "Befugnis, mit dem Kinde persönlich zu verkehren", § 1636 BGB a. F., als "Ausfluss des Verwandtschaftsverhältnisses".[1]

§§ 16341638 BGB sind zwischenzeitlich aufgehoben.

Sind Eltern nunmehr über die Betreuung ihres Kindes uneinig, hat das Familiengericht hierüber unter dem Gesichtspunkt der Wahrung des Kindeswohls zu entscheiden.[2]

Gesetzlich verankert ist jedoch kein Modell der Betreuung.

In der Rechtsprechung haben sich aber bei unterschiedlicher Auffassung der Eltern für eine Entscheidung über den Umfang der Betreuung durch beide Elternteile zwei Modelle herausgebildet, zwischen denen entschieden wird. In der Regel wird das sog. Residenzmodell beschlossen, das einem Elternteil die ganz überwiegende Betreuung des Kindes zuweist und dem anderen Elternteil das Recht auf – regelmäßigen – Kontakt zuspricht.

In Ausnahmefällen kommt es zur Bestimmung eines alternativen Modells, des sog. Wechselmodells. Nach bisher überwiegender Rechtsprechung war eine solche Anordnung gegen den Willen eines Elternteils gar nicht möglich.[3] Begründet wurde dies damit, dass die Einrichtung eines Wechselmodells in der Betreuung von Kindern "hoher menschlicher und organisatorischer Voraussetzungen"[4] bedarf, die eine einvernehmliche Kooperation der Eltern voraussetzt. Zu Recht hat der BGH jedoch darauf hingewiesen, dass es für die Frage der Betreuung des Kindes entscheidend nicht auf dem übereinstimmenden Willen der Eltern, sondern allein auf das Kindeswohl ankommt und deshalb auch gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden kann.[5]

[1] RG RGJ 41, 11; Soergel/Du Chesne, BGB, II. Band, 3. Aufl., 1926, § 1636 Rn. 1.
[2] BGH, FamRZ 2017, 581.
[3] OLG Brandenburg, FamRZ 2016, 1473; OLG Karlsruhe, FamRZ 2015, 1736; KG, FamRZ 2015, 1910; OLG Koblenz, FamRZ 2015, 1911; OLG Saarbrücken, FamRZ 2015, 678; OLG Nürnberg, FamRZ 2016, 2119; OLG München, FamRZ 2016, 2120, 2121 m. w. N.; Völker/Clausius, Das familienrechtliche Mandat-Sorgerecht, 6. Aufl., § 1 Rn 321; Gerhardt/von Heintschel-Heinegg/Klein/Büte, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 10. Aufl., Kap. 4 Rn. 105; a. A. BGH, FamRZ 2017, 532; OLG Hamburg, FamRZ 2016, 912; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 7.12.2012, II-6 UF 191/12-, juris; OLG Braunschweig, FamRZ 2015, 61; AmtsG Duisburg, FamRZ 2015, 1305; AmtsG Hannover, FamRZ 2014, 1212; differenzierend KG, FamRZ 2017, 1409: bei "hoher elterlicher Konfliktbelastung" kein Wechselmodell möglich.
[4] Coester, FamRZ 2017, 584, 585.
[5] BGH, FamRZ 2017, 732.

5.2.2 Die möglichen Betreuungsmodelle

Häufig wird in der Frage um die mögliche Betreuung von Kindern lediglich die einander gegenüberstehenden Möglichkeiten der Einrichtung eines Residenzmodells, also der ganz überwiegenden Betreuung durch einen Elternteil und eines Wechselmodells, der paritätischen, der zeitlich – nahezu – exakt gleichen Betreuung durch beide Elternteile diskutiert. Das in der Literatur zusätzlich gern besprochene sog. Nestmodell[1], die abwechselnde Betreuung des Kindes in derselben Wohnung, spielt dagegen eigentlich nur in der Theorie eine Rolle.

Unbeachtet bleibt, dass viele Eltern ein exakt hälftig aufgeteiltes Betreuungsmodell aus den unterschiedlichen Gründen nicht leben können und wollen, sehr wohl aber eine Aufteilung der Betreuungszeiten mit Anteilen von z. B. 60 : 40 oder 70 : 30 vornehmen. Diese Betreuungsmodelle stellen nach bisheriger Rechtsprechung ein sog. Residenzmodell dar mit den entsprechenden Folgen namentlich für die Frage des Kindesunterhalts, der von demjenigen zu leisten ist, der die geringere Betreuungsquote aufweist.[2] Für die überwiegende Betreuung und damit für die Klassifizierung als sog. Residenzmodell, so heißt es in der Rechtsprechung, genüge es sogar, "dass der Anteil eines Elternteils an der Betreuung den Anteil des anderen geringfügig übersteigt."[3]

Dies sind nicht nachvollziehbare Anforderungen, die in der Praxis zur Einstufung eines jeden Betreuungsmodells der Eltern zum Residenzmodell führen. Es gibt immer irgendwelche Aufgaben und besondere Betreuungssituationen, die zusätzlich auftreten und deshalb die für ein Wechselmodell geforderten exakt gleichen Zeiten aufheben.

Es ist daher notwendig, sich vom Residenzmodell und Wechselmodell als Gegensatzpaar zu lösen und die unterschiedlichen zeitlichen Betreuungsformen nicht nur als private elterliche Vereinbaru...

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