Leitsatz

Wird einem Sondereigentümer in der Gemeinschaftsordnung eine Instandsetzungs- oder Instandhaltungspflicht übertragen, hat er im Zweifel auch die ihm dadurch entstehenden Kosten zu tragen.

 

Normenkette

WEG §§ 10 Abs. 2 Satz 2, 16 Abs. 2, 21 Abs. 5 Nr. 2

 

Das Problem

  1. In der Gemeinschaftsordnung einer durch Teilungsvertrag (§ 3 WEG) entstandenen Wohnungseigentumsanlage heißt es wie folgt:

    Für die Instandhaltung der ausschließlich ihrem Sondernutzungsrecht unterliegenden Flächen, Anlagen und Einrichtungen haben die jeweils berechtigten Sondereigentümer zu sorgen.

  2. Auf einer Versammlung im Sommer 2015 wird es Wohnungseigentümer A mit einem Beschluss zum Tagesordnungspunkt (TOP) 5.1 gestattet, die auf seiner Sondernutzungsfläche vorhandene Terrasse zu vergrößern und die umliegenden Bereiche in bestimmter Weise gärtnerisch zu gestalten. Die Kosten der Herstellung und der künftigen Instandhaltung soll A allein tragen. Mit einem allstimmigen Beschluss zu TOP 6.1 wird es Wohnungseigentümer B gestattet, seine Sondernutzungsfläche mit einer zusätzlichen Terrasse zu bebauen. Die Kosten der Herstellung und der künftigen Instandhaltung soll B allein tragen. Mit einem weiteren – auch allstimmigen – Beschluss zu TOP 6.2 wird es Wohnungseigentümer C gestattet, auf seiner Sondernutzungsfläche eine Fläche abzugraben. Die Kosten der Herstellung und der künftigen Instandhaltung soll C tragen.
  3. Gegen diese 3 Beschlüsse geht Wohnungseigentümer K im Wege der Nichtigkeitsfeststellungsklage vor. Das Amtsgericht stellt auf diese Klage fest, dass alle 3 Beschlüsse nichtig seien. Dem stehe nicht entgegen, dass wenigstens die Beschlüsse zu TOP 6.1 und 6.2 "allstimmig" gefasst worden seien. Die Wohnungseigentümer könnten nicht entgegen der Gemeinschaftsordnung den Umlageschlüssel für einzelne Bereiche oder Gegenstände hinsichtlich der Instandhaltungs- und lnstandsetzungsmaßnahmen auf Dauer verändern. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Berufung. Ohne Erfolg! Auch nach Ansicht des Berufungsgerichts fehlt den Wohnungseigentümern die Beschlusskompetenz. Zwar änderten die Beschlüsse die betroffenen Sondernutzungsrechte nicht. In Rede stünden nur bauliche Veränderungen (§ 22 Abs. 1 WEG). Diesbezüglich hätten die Wohnungseigentümer eine Beschlusskompetenz. Allerdings fehle diese, soweit den betroffenen Sondernutzungsberechtigten die Folgekosten der von ihnen angestrebten baulichen Veränderungen auferlegt worden seien. Sie ergebe sich nicht aus § 16 Abs. 4 WEG. Danach könne zwar bei baulichen Veränderungen eine von dem Verteilungsmaßstab des § 16 Abs. 2 WEG abweichende Kostenverteilung im Einzelfall beschlossen werden. Von dem Begriff des "Einzelfalls" seien die Folgekosten der jeweiligen baulichen Veränderung aber nicht erfasst. Die zu TOP 6.1 und 6.2 allstimmig gefassten Beschlüsse seien auch nicht als Vereinbarungen der Wohnungseigentümer auszulegen. Ferner gäben die Beschlüsse hinsichtlich der Kosten der Instandhaltung nicht nur deklaratorisch das wieder, was vereinbart sei. Dagegen wendet sich die Revision. Mit Erfolg!
 

Die Entscheidung

Die Beschlüsse seien nicht nichtig.

Keine Änderung der Sondernutzungsrechte

  1. Sondernutzungsrechte seien dadurch gekennzeichnet, dass einem oder mehreren Wohnungseigentümern unter Ausschluss der übrigen (negative Komponente) das Recht zur Nutzung von Teilen des Gemeinschaftseigentums zugewiesen werde (positive Komponente). Wegen des Entzugs der Befugnis zum Mitgebrauch nach § 13 Abs. 2 WEG könne ein Sondernutzungsrecht nur durch Vereinbarung (§ 10 Abs. 2 Satz 2 WEG) oder durch den teilenden Eigentümer nach § 8 Abs. 2, § 5 Abs. 4 in Verbindung mit § 10 Abs. 2 WEG begründet oder geändert werden.
  2. Die Beschlüsse änderten die Sondernutzungsrechte weder hinsichtlich ihres räumlichen Zuschnitts noch hinsichtlich ihres Gebrauchs. Zwar ergebe sich aus einer Übersichtskarte, auf die die Gemeinschaftsordnung verweise, die bisherige Lage der Terrassen auf den jeweiligen, den Sondernutzungsrechten unterfallenden Flächen. Aus dieser Zeichnung könne aber keine Beschränkung der Gebrauchsmöglichkeit entnommen werden. Wie sich aus dem Wortlaut der Gemeinschaftsordnung ergebe, diene die Verweisung auf die Übersichtskarte nur der Festlegung der Flächen, an denen die Sondernutzungsrechte bestehen. Der Erwähnung der Terrassen und deren zeichnerische Darstellung in der Übersichtskarte komme klarstellende Bedeutung zu – dass sich nämlich die Sondernutzungsrechte auch auf diese Flächen beziehen. Eine Festlegung des Gebrauchs der anderen Flächen dahin gehend, dass sie im Rahmen der Sondernutzungsrechte nicht zu einer Erweiterung oder Neuherstellung einer Terrasse genutzt werden können, könne daraus nicht abgeleitet werden.

Keine Verletzung von § 22 Abs. 1 WEG

  1. Die Beschlüsse zu TOP 6.1 und 6.2 seien allstimmig gefasst. Damit hätten alle Wohnungseigentümer im förmlichen Beschlussverfahren nach § 22 Abs. 1 WEG den beabsichtigten baulichen Veränderungen zugestimmt. Auf die Frage, ob die Zustimmung nur im förmlichen Beschlussverfahren erk...

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