Rz. 11

Als grundlegende Norm der Einkommensberechnung definiert Abs. 1 Satz 3, nach welchen Maßgaben das Einkommen aus Erwerbstätigkeit als durchschnittlich monatlich im Bemessungszeitraum zu erfassendes Einkommen berücksichtigt bzw. zugrunde gelegt wird. Die Norm nimmt quasi als Auffangnorm die Maßgaben der §§ 2c-2f BEEG und den Bemessungszeitraum nach § 2b BEEG in Bezug.

 

Rz. 12

Seit der Neufassung der Norm durch Art. 1 Nr. 2 Buchst. a) des Gesetzes zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs v. 10.9.2012[1] nimmt Abs. 1 Satz 3 seit seinem Inkrafttreten ab 18.9.2012 bewusst Abstand[2] von dem durch vielfältige Rechtsprechung unterlegten Begriff des "erzielten" Einkommens. Denn bei der Verwendung der Wortwendung "erzieltes Einkommen" war und ist fraglich, welche konkreten Einkommenszuflüsse in den maßgebenden Monaten (Lebensmonate nach der Geburt im Bezugszeitraum bei Abs. 3, Kalendermonate vor der Geburt im Bemessungszeitraum bei Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2) zu berücksichtigen sind. Nach dem sog. strengen Zuflussprinzip sind nur solche Einnahmen zu berücksichtigen, die einerseits auch tatsächlich im jeweils relevanten Bezugs- oder Bemessungszeitraum zufließen[3], auch wenn das zufließende Einkommen vor den maßgebenden Monaten erwirtschaftet wurde[4]; andererseits sind solche in den maßgebenden Monaten (Lebensmonate nach der Geburt im Bezugszeitraum bei Abs. 3, Kalendermonate vor der Geburt im Bemessungszeitraum bei Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2) nicht tatsächlich zugeflossene Einkommensbestandteile und Einkommensteile nicht zu berücksichtigen, auch wenn sie in den maßgebenden Monaten erwirtschaftet wurden und daher auf sie im jeweils relevanten Bezugs- oder Bemessungszeitraum ein Zahlungsanspruch bestanden hat.[5] Das sog. strenge Zuflussprinzip wirkt sich daher in beide Richtungen aus und kann begünstigende oder benachteiligende Wirkung haben.[6]

 

Rz. 13

Dieser Sichtweise hatte die höchstrichterliche Rechtsprechung für Einkommen aus nichtselbstständiger Tätigkeit zunächst widersprochen und – wie in anderen Sozialleistungsbereichen – das sog. modifizierte Zuflussprinzip zugrunde gelegt.[7] Danach war für die Bemessung des Elterngeldes nicht nur das dem Berechtigten im Bemessungszeitraum tatsächlich zugeflossene Arbeitsentgelt zugrunde zu legen, sondern auch das in diesem Zeitraum erarbeitete – also erzielte – und erst nach dessen Ablauf infolge nachträglicher Vertragserfüllung ausgezahlte Arbeitsentgelt.[8] Für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit hatte die höchstrichterliche Rechtsprechung jedoch das sog. strenge Zuflussprinzip zugrunde gelegt. Ein solches Einkommen ist in dem Zeitraum erzielt, in dem es dem Elterngeldberechtigten tatsächlich zugeflossen ist.[9]

 

Rz. 14

Diese Differenzierungen hielt der Gesetzgeber nicht für gerechtfertigt und wandte sich von ihnen mit der Neufassung des Abs. 1 Satz 3 mit Wirkung ab 18.9.2012 bewusst ab, vermied den Begriff des "Erzielens", formulierte ihn bewusst in den Begriff des "Habens", i. S. d. tatsächlich zugeflossenen Bestandes, um und führte in den Gesetzesmaterialien aus, dass im Elterngeldrecht fortan nicht das elterngeldrechtsspezifische modifizierte Zuflussprinzip Anwendung finden soll.[10] Vielmehr wird das elterngeldrechtliche Einkommen auch hinsichtlich der zeitlichen Zuordnung von Einnahmen in Anlehnung an den steuerrechtlichen Einkommensbegriff ermittelt.[11] Dementsprechend sind die steuerrechtlichen Grundsätze der zeitlichen Zuordnung von Einnahmen (Zufluss- und Relationsprinzip, ggf. unter Berücksichtigung von bereichsspezifischen Besonderheiten wie etwa im Lohnsteuerrecht) zu berücksichtigen, sodass für laufenden Arbeitslohn (in Abgrenzung zu den sonstigen Bezügen i. S. d. § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG) grundsätzlich ebenfalls das strenge Zuflussprinzip maßgebend ist. Dieser Grundsatz ist ambivalent und kann sich sowohl vorteilhaft als auch nachteilig auf die Elterngeldhöhe im Einzelfall auswirken. Denn die Geltung des strengen Zuflussprinzips nach § 2 Abs. 1 Satz 3 BEEG bedeutet zum einen, dass im Bemessungszeitraum zufließendes Einkommen aus laufendem Arbeitslohn (also Gehaltsnachzahlungen, die nicht unter Nr. R 39b.2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 8 LStR 2015 fallen und damit im gleichen Kalenderjahr nachgezahlt werden), das durch eine Erwerbstätigkeit vor Beginn des Bemessungszeitraums erarbeitet wurde, als Einkommen während des Bemessungszeitraums elterngelderhöhend zu berücksichtigen ist.[12] Die Geltung des strengen Zuflussprinzips nach § 2 Abs. 3 Satz 1 BEEG bedeutet zum anderen, dass in der Bezugszeit erst zufließendes Einkommen aus laufendem Arbeitslohn (also Gehaltsnachzahlungen, die nicht unter Nr. R 39b.2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 8 LStR 2015 fallen und damit im gleichen Kalenderjahr nachgezahlt werden), das durch eine Erwerbstätigkeit in der Bemessungszeit erwirtschaftet wurde, als Einkommen während der Bezugszeit elterngeldmindernd zu berücksichtigen ist. Das strenge Zuflussprinzip stellt insofern auch sicher, dass den gesetzlich vorge...

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