1 Allgemeines

 

Rz. 1

Die Betriebsvereinbarung ist ein schriftlicher Vertrag zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Sie ist das klassische, wenngleich nicht einzige Mittel, um zwischen den gleichberechtigten Betriebspartnern betriebliche Angelegenheiten zu regeln. Die Vorschrift des § 88 BetrVG ist im Zusammenhang mit § 87 BetrVG zu sehen. Während nach § 87 BetrVG dem Betriebsrat in den dort genannten Angelegenheiten ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht zusteht, können gemäß § 88 BetrVG auch in anderen Angelegenheiten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber Betriebsvereinbarungen freiwillig – also in beiderseitigem Einvernehmen – abgeschlossen werden. Der Betriebsrat kann eine Betriebsvereinbarung beim Arbeitgeber beantragen; dieser ist jedoch nicht verpflichtet, sich auf Verhandlungen einzulassen.

 

Rz. 2

Die in § 88 BetrVG genannten Angelegenheiten haben lediglich beispielhaften Charakter und sind nicht als abschließende Aufzählung zu verstehen. Dies stellt die Einfügung des Wortes „insbesondere” klar. Durch das Gesetz zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes wurden zu den ausdrücklich genannten Angelegenheiten die Maßnahmen des betrieblichen Umweltschutzes (§ 88 Nr. 1 a BetrVG) und die Maßnahmen zur Integration ausländischer Arbeitnehmer sowie zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Betrieb (§ 88 Nr. 4 BetrVG) eingefügt. Um die Bedeutung dieser beiden Themen hervorzuheben, stellte der Gesetzgeber ausdrücklich klar, dass hierzu freiwillige Betriebsvereinbarungen geschlossen werden können[1]. Die Zuständigkeit des Betriebsrats für den betrieblichen Umweltschutz soll die Gewähr dafür bieten, dass betriebliches Wissen und arbeitsplatzbezogene Erfahrung der Arbeitnehmer über den Betriebsrat im Interesse der Beschäftigten und des Unternehmens nutzbar gemacht werden können. Die Arbeitnehmer können über den Betriebsrat praxisnahe Vorschläge unterbreiten, um Umweltbelastungen zu vermeiden[2]. Durch die Klarstellung, dass Maßnahmen zur Integration ausländischer Arbeitnehmer sowie zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Betrieb Gegenstand von freiwilligen Betriebsvereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat sein können, besteht die Möglichkeit der Betriebsparteien, auf diesem Gebiet grundsätzliche Regelungen zu schaffen. Dadurch sollen auch in den Unternehmen Zeichen dafür gesetzt werden, dass Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Betrieb nicht toleriert werden[3].

 

Rz. 2a

§ 28 a BetrVG gestattet den Abschluss von Rahmenvereinbarungen zur Übertragung von Aufgaben auf Arbeitsgruppen. Derartige Vereinbarungen haben den Charakter freiwilliger Betriebsvereinbarungen nach § 88 BetrVG. Die Arbeitsgruppe selbst kann hiernach im Rahmen ihrer Aufgaben Vereinbarungen über ihre Tätigkeiten schließen[4].

[1] BT-Drucks. 14/5741 S. 48.
[2] BT-Drucks. 14/ 5741 S. 30.
[3] BT-Drucks.14/ 5741 S. 31.
[4] Fitting, § 88, Rz. 5.

2 Umfang der Regelungsbefugnis

2.1 Grundsätze

 

Rz. 3

§ 88 BetrVG ist innerhalb des Betriebsverfassungsgesetzes im dritten Abschnitt des vierten Teils verankert. In systematischer Hinsicht bezieht sich die Norm also allein auf soziale Angelegenheiten. Zu den sozialen Angelegenheiten werden alle Angelegenheiten gezählt, die durch Tarifvertrag regelbar sind[1]. Gleichwohl ist allgemein anerkannt, dass Betriebsvereinbarungen im Grundsatz jede regelungsbedürftige Angelegenheit für einen Betrieb betreffen können. So kann z. B. auch ein Einstellungsversprechen als Abschlussnorm grundsätzlich zulässiger Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein (ArbG Paderborn, Urteil v. 5.2.2015, 5 Ca 1390/14). Die Betriebspartner sind auch befugt, den Regelungsbereich der mitbestimmungspflichtigen Tatbestände zu erweitern. Arbeitgeber und Betriebsrat haben eine umfassende Regelungskompetenz, da § 88 BetrVG Ausdruck eines Grundprinzips der Betriebsverfassung ist (BAG, Urteil v. 12.12.2006, 1 AZR 96/06). Die umfassende Regelungskompetenz ergibt sich zum einen aus der Entstehungsgeschichte der Norm[2]. Zum anderen ist die Vorschrift des § 28 SprAuG zur Begründung heranzuziehen, wonach Arbeitgeber und Sprecherausschuss Richtlinien über den Inhalt, den Abschluss oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen der leitenden Angestellten vereinbaren können. Nach § 28 Abs. 2 SprAuG gilt der Inhalt der Richtlinien für die Arbeitsverhältnisse unmittelbar und zwingend, soweit dies zwischen Arbeitgeber und Sprecherausschuss vereinbart ist. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber dem Sprecherausschuss eine größere Regelungskompetenz als dem Betriebsrat zugestehen wollte.

 

Rz. 3a

Sprüche der Einigungsstelle müssen die Grenzen des sich aus § 94 Abs. 2 BetrVG ergebenden Mitbestimmungsrechts wahren und dürfen das eingeräumte Ermessen nicht überschreiten (BAG, Beschluss v. 14.1.2014, 1 ABR 49/12). Die Einigungsstelle ist nicht befugt, im Rahmen eines streitigen Spruchs Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu erweitern. Hat die Einigungsstelle diesen Rechtsrahmen überschritten und spricht sie dem Betriebsrat mehr Mitbestimmungsrechte zu, als ihm nach dem Betriebsverfassungsg...

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