Rz. 57

Nicht selten sind in allgemeinen Betriebsordnungen auch Betriebsbußen geregelt, die dazu dienen, die Einhaltung der Verhaltens- und Ordnungsvorschriften durchzusetzen. Hier erstreckt sich nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil v. 5.12.1975, 1 AZR 94/74; BAG, Beschluss v. 17.10.1989, 1 ABR 100/88[1]) das Mitbestimmungsrecht sowohl auf die Aufstellung der Betriebsstrafenordnung als auch auf die Verhängung einer Buße im Einzelfall. Für Letzteres empfiehlt sich unter Umständen die Bildung eines paritätisch besetzten Ordnungsausschusses. Ob eine Betriebsstrafe aber zu Recht verhängt worden ist, prüft letztlich das Arbeitsgericht im Urteilsverfahren, wenn der Arbeitnehmer vor Gericht zieht.

 

Rz. 58

Mit guten Gründen wird vertreten, dass eine Bußordnung – zumindest was die Verbindlichkeit der Folgen bei der Erfüllung eines Bußtatbestands angeht (i. d. R. Geldstrafe) – von den Betriebspartnern in einer Betriebsvereinbarung nicht geregelt werden kann. Für die darin liegende Belastung der Arbeitnehmer besteht seitens des Betriebsrats kein Mandat. Wenn man richtigerweise davon ausgeht, dass der Arbeitgeber allein aufgrund seines Direktionsrechts eine Bußordnung ebenfalls nicht aufstellen könnte, fehlt es an einer ausreichenden Legitimation. Die herrschende Meinung hält demgegenüber den Erlass einer Betriebsbußenordnung (außer durch Tarifvertrag) auch durch Betriebsvereinbarung für zulässig.[2] Allerdings sind die Sanktionen der Betriebsbußenordnung auf angemessene Geldbußen oder andere Disziplinierungsmaßnahmen beschränkt. Die Entlassung eines Arbeitnehmers kommt als Disziplinierungsmaßnahme nicht in Betracht (BAG, Urteil v. 28.4.1982, 7 AZR 962/79[3]). Gleiches gilt für Rückgruppierungen und in aller Regel auch für Versetzungen.[4]

 

Rz. 59

Arbeitsvertragliche Sanktionen, wie vertraglich vereinbarte Vertragsstrafen und insbesondere die Abmahnung dürfen mit den Betriebsstrafen nach einer Bußordnung nicht verwechselt werden. Mit Vertragsstrafen und Abmahnungen werden die Verletzungen arbeitsvertraglicher Pflichten sanktioniert. Sie sind deshalb grundsätzlich mitbestimmungsfrei (zur Mitbestimmungsfreiheit der Abmahnung siehe BAG, Urteil v. 30.1.1979, 1 AZR 342/76[5]; BAG, Urteil v. 7.11.1979, 5 AZR 962/773; BAG, Beschluss v. 17.12.1985, 1 ABR 6/84[6]; BAG, Beschluss v. 17.10.1989, 1 ABR 100/88[7]). Die Abmahnung wird auch dadurch nicht zur Betriebsbuße, dass sie mit zusätzlichen individualrechtlichen Folgen verbunden ist oder solche angedroht werden.[8] Richtig ist auch, wenn darüber hinaus vertreten wird, dass der Anwendungsbereich der mitbestimmungsfreien Abmahnung nicht auf die Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten beschränkt ist, die keine Auswirkungen auf die kollektive Ordnung haben. Denn auch Verstöße gegen eine rechtmäßig erlassene betriebliche Ordnung sind als Vertragsverstöße zu werten mit der Folge, dass die Rüge des Arbeitgebers nicht als Buße, sondern als Abmahnung zu qualifizieren sein kann. Entscheidend ist der Wortlaut der Erklärung und die Begleitumstände. Ferner kann auch ein Fehlverhalten von Betriebsratsmitgliedern, sei es wegen vertragswidrigen oder "amtswidrigen" Verhaltens, mitbestimmungsfrei abgemahnt werden (BAG, Urteil v. 6.8.1981, 6 AZR 505/78[9]; BAG, Urteil v. 31.8.1994, 7 AZR 893/93[10]).

[1] NZA 1990, 193.
[2] Vgl. GK/Wiese, § 87 Anm. 236 sowie Fitting § 87 BetrVG Rz. 77.
[3] BAGE 39, 32.
[4] GK/Wiese, § 87 Rz. 258.
[5] AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Betriebsbuße, unter I 1 b der Gründe.
[6] BB 1986, 734.
[7] NZA 1990, 193.
[8] Vgl. BAG a. a. O.
[9] AP Nr. 39 zu § 37 BetrVG 1972.
[10] NZA 1995, 225.

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