Rz. 184

Die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG erfasst nicht alle Fragen des Lohns, sondern nur die betriebliche Lohngestaltung. Lohngestaltung liegt zum einen vor, wenn (kollektive!) Entlohnungsgrundsätze aufgestellt werden. Dies sind übergeordnete allgemeine Vorschriften für die gesamte Entlohnung im Betrieb oder zumindest für Arbeitnehmergruppen.

Hinsichtlich des eigentlichen Arbeitsentgelts sind die Grundfragen des Entlohnungssystems (Entlohnung nach Zeit, Leistung usw.) mitbestimmungspflichtig. Ebenfalls der Mitbestimmung unterliegen die Faktoren für die gerechte Lohngestaltung im Sinne des angemessenen Verhältnisses zwischen Leistung und Entgelt.[1] Gemeint sind sowohl die materiellen Kriterien als auch das Verfahren der Entgeltfindung.[2] Immer zu berücksichtigen ist allerdings § 87 Abs. 1 BetrVG Einleitungssatz. Der Tarifvorrang führt dazu, dass im Bereich der Tarifangestellten die wesentlichen, bereits im Tarifvertrag geregelten Entgeltfragen nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats zugänglich sind. Soweit ein Tarifvertrag besteht, ist ein wesentlicher Anwendungsbereich für das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG daher der Bereich der freiwilligen und zusätzlichen Leistungen, insbesondere also Gratifikationen und Zulagen. Auch Fragen der betrieblichen Altersversorgung unterfallen der Mitbestimmung. Zu den zusätzlichen freiwilligen Leistungen siehe im Detail Rz. 188 ff.

In vielen Unternehmen werden Aktienoptionen oder ähnliche Rechte als Entgeltbestandteil ausgegeben, häufig allerdings (mitbestimmungsfrei) nur an leitende Angestellte und Geschäftsführer bzw. Vorstände. Unter Aktienoptionen wird das Recht verstanden, unter vorgegebenen Voraussetzungen und nach Ablauf bestimmter Wartefristen (meist auch innerhalb bestimmter Ausübungsfristen) Aktien des Arbeitgebers oder eines Konzernunternehmens zu einem zuvor festgelegten Preis zu erwerben. Insbesondere wenn ausgebendes Unternehmen nicht der Arbeitgeber, sondern ein anderes Unternehmen (meist die Konzernmutter) ist, wird teilweise bestritten, dass solche Leistungen überhaupt Arbeitsentgelt sind.[3] Als freiwillige Leistung unterliegen die Einführung wie auch die Abschaffung der Aktienoptionen ebenso wenig der Mitbestimmung wie die Dotierung, die Bestimmung des Personenkreises und die Zwecksetzung. Ebenfalls mitbestimmungsfrei sind die Rahmendaten, die sich auf die finanzielle Gesamtbelastung auswirken, namentlich Basiswert und Laufzeit des Plans[4] genauso wie die Warte- und Ausübungsfristen[5]. Der Mitbestimmung unterliegen folglich noch die Verteilung der Optionen unter dem Kreis der festgelegten Arbeitnehmer (ohne leitende Angestellte), die genaue Abstufung der Erwerbsermäßigungen, die Festlegung einer Mindest- oder Höchstzuweisung.

Besonderheiten kann es bei Aktienoptionen auch in weiteren zwei Aspekten geben:

Zunächst einmal werden Optionen teilweise auch von fremden Unternehmen gewährt, insbesondere Konzernunternehmen. Soweit dann nicht ohnehin der Konzernbetriebsrat für die Ausübung der Mitbestimmung zuständig ist, kann der Betriebsrat (oder Gesamtbetriebsrat) keine Bindung eines Drittunternehmens herbeiführen. Der Arbeitgeber selbst kann nur insofern gebunden (und verpflichtet) werden, wie er selbst Einfluss auf die Optionsgewährung hat (daher bedenklich LAG Nürnberg, Beschluss v. 22.1.2002, 6 TaBV 19/01[6], das das Mitbestimmungsrecht auf die Gesellschafterstellung einer ausländischen [!] Holding zurückführt).

Eine weitere Besonderheit ist, dass die Entscheidung über die Grundsätze der Aktienoptionen bei Aktiengesellschaften der Hauptversammlung vorbehalten ist (vgl. § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG). In der Literatur wird teilweise angenommen, dass daraus keine Beschränkung der Mitbestimmung erwachse.[7] Dabei wird allerdings übersehen, dass die Personalleitung ihre Vertretungsmacht für das Unternehmen von der Unternehmensleitung (AG: vom Vorstand) ableitet, der aber offenkundig keine Vertretungsmacht hat, soweit sie ihm nicht von der Hauptversammlung eingeräumt wurde. Vereinbarungen mit dem Betriebsrat sind – soweit sie Beschlüssen der Hauptversammlung zuwiderlaufen – damit mangels Vollmacht schwebend unwirksam (§ 177 Abs. 1 BGB). Umgekehrt dürfte es zu weit gehen, die gesellschaftsrechtliche Kompetenzordnung als der Mitbestimmung entgegenstehende gesetzliche Regelung im Sinne des § 87 Einleitungssatz BetrVG zu betrachten. Die Hauptversammlung wird ein Aktienoptionsmodell für Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG nicht ohne Einschaltung des Betriebsrats wirksam umsetzen lassen können.[8] Ob ein Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen und insbesondere die einschlägigen Beschlussverfahren mit der Folge eines nicht rechtsgeschäftlichen Regeln unterfallenden Spruchs der Einigungsstelle einleiten kann, ohne nachweisbar die Hauptversammlung mit seinem über deren Beschlüsse hinausgehenden Begehr (mittelbar) befasst zu haben, erscheint infolgedessen auch zweifelhaft; die Einigungsstelle wird solange offensichtlich unzuständig sein.

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