1 Vorbemerkungen

 

Rz. 1

Die Vorschrift enthält die wesentlichen Grundsätze für die Behandlung der Betriebsangehörigen durch Arbeitgeber und Betriebsrat. Nach § 75 BetrVG sind beide verpflichtet, für eine Behandlung der Betriebsangehörigen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit zu sorgen. Benachteiligungen aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Abstammung oder sonstigen Herkunft, der Nationalität, der Religion oder Weltanschauung, der Behinderung, des Alters, der politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung, des Geschlechts oder der sexuellen Identität haben zu unterbleiben. Die Vorschrift passt die bereits bisher für die Behandlung der im Betrieb tätigen Personen geltenden Grundsätze an die Terminologie des § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) an, das als Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung am 18.8.2006 in Kraft getreten[1] und bereits knapp 4 Monate später durch das Gesetz zur Änderung des Betriebsrentengesetzes und anderer Gesetze vom 2.12.2006[2] geändert worden ist.[3]

 

Rz. 2

Die Regelung des § 75 BetrVG war in ihren Grundzügen bereits Inhalt des Betriebsverfassungsgesetzes 1972. Durch das BetrVerf-ReformG ist sie 2001 zunächst in 2 Punkten erweitert worden:

  • In Abs. 1 Satz 1 ist als zusätzliches Diskriminierungsverbot das Verbot einer Diskriminierung wegen der sexuellen Identität aufgenommen worden;
  • Abs. 2 ist um einen neuen Satz 2 ergänzt worden, wonach Arbeitgeber und Betriebsrat gehalten sind, die Selbstständigkeit und Eigeninitiative der Arbeitnehmer und Arbeitsgruppen zu fördern.

Mit der Aufnahme des Verbots der Diskriminierung wegen der sexuellen Identität in Abs. 1 hatte der Gesetzgeber die Vorgabe in der Richtlinie 2000/78/EG des Rats vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf[4], die u. a. eine Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung verbietet, bereits teilweise umgesetzt und insoweit die Regelungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vorweggenommen.

Die Regelung des Abs. 2 Satz 2 wurde in das Gesetz aufgenommen, um dem einzelnen Arbeitnehmer ebenso wie Arbeitsgruppen Raum für kreative, selbst gestaltete und eigenverantwortliche Arbeit zu belassen und damit dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Arbeitnehmer in ihrer beruflichen Tätigkeit heutzutage nicht mehr ausschließlich eine reine Erwerbsmöglichkeit sehen, sondern ihren Beruf auch als Möglichkeit der Selbstverwirklichung und der Bestätigung ihres beruflichen Könnens verstehen.[5]

 

Rz. 3

Durch Art. 3 Abs. 3 AGG ist § 75 Abs. 1 BetrVG neu gefasst worden. So sind insbesondere die Benachteiligungsverbote aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, Weltanschauung, Behinderung und des Alters, die bisher in § 75 Abs. 1 BetrVG nicht ausdrücklich genannt waren, in die Vorschrift aufgenommen worden. Der Gesetzgeber hat insoweit die Terminologie der EU-Richtlinien, deren Umsetzung das AGG dient, wörtlich übernommen.

Hatten bisher Arbeitgeber und Betriebsrat gemäß § 75 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nur darauf zu achten, dass Arbeitnehmer nicht wegen Überschreitung bestimmter Altersstufen benachteiligt werden, hat nun jede Benachteiligung wegen des Alters zu unterbleiben. § 75 Abs. 1 BetrVG n. F. enthält mithin ein weitergehendes Diskriminierungsverbot aus Gründen des Alters als die bisherige Regelung, sodass § 75 Abs. 1 Satz 2 BetrVG gestrichen werden konnte.

Der Begriff "sonstige Herkunft" in Abgrenzung zur "ethnischen Herkunft" knüpft an das bisherige Differenzierungsverbot "wegen der Herkunft" in § 75 Abs. 1 BetrVG a. F. an. Damit ist auch weiterhin eine Benachteiligung wegen der örtlichen, regionalen oder sozialen Herkunft verboten. Insoweit geht § 75 Abs. 1 BetrVG – wie bereits in der Vergangenheit – über die europarechtlichen Vorgaben hinaus. Dies gilt auch für die Merkmale der politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung sowie der Nationalität, die ebenfalls beibehalten wurden.

Wann eine – unzulässige – Benachteiligung vorliegt und wann eine unterschiedliche Behandlung zulässig ist, richtet sich grundsätzlich nach den Bestimmungen des AGG. Da viele der dort enthaltenen Bestimmungen und Begriffe allerdings auslegungsbedürftig sind, ist davon auszugehen, dass die bisherige Rechtsprechung, die zu § 75 Abs. 1 BetrVG a. F. ergangen ist, für die Anwendung und Auslegung des AGG mit herangezogen werden wird.

Die Vorschrift des § 27 SprAuG wurde für leitende Angestellte wortgleich mit § 75 Abs. 1 BetrVG gefasst.

 

Rz. 4

§ 75 BetrVG enthält nicht nur einen unverbindlichen Programmsatz, sondern hat unmittelbare materielle Bedeutung. Sie begründet Amtspflichten von Betriebsrat und Arbeitgeber. Beide haben die darin festgeschriebenen elementaren Grundsätze für die Behandlung der Betriebsangehörigen bei ihrer gesamten Tätigkeit im Betrieb zu beachten.[6] Die Neufassung durch das AGG hat daran nichts geändert.

Da § 75 BetrVG zwingendes Recht ...

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