1 Allgemeines

 

Rz. 1

Die Vorschrift regelt die Mindestzahl der von ihrer beruflichen Tätigkeit freizustellenden Betriebsratsmitglieder (Abs. 1) und das Verfahren der Freistellung (Abs. 2); außerdem gibt sie Bestimmungen über die Rechtsstellung der freigestellten Betriebsratsmitglieder (Abs. 3 und 4). Ziel und Zweck der nach Anzahl der Arbeitnehmer gestaffelten Freistellung nach Abs. 1 ist es, Streitigkeiten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber über den Umfang der notwendigen Arbeitsbefreiung zu vermeiden (BAG, Beschluss v. 10.7.2013, 7 ABR 22/12[1]). Außerdem bezweckt § 38 BetrVG – ebenso wie bei einer bloß zeitweiligen Arbeitsbefreiung nach § 37 Abs. 2 BetrVG – die Sicherstellung einer sachgerechten Wahrnehmung der dem Betriebsrat obliegenden Aufgaben (BAG, Beschluss v. 28.9.2016, 7 AZR 248/14[2]).

[1] NZA 2013, 1221.
[2] NZA 2017, 335.

2 Freistellung von Betriebsratsmitgliedern

2.1 Begriff der Freistellung

 

Rz. 2

Der Begriff der Freistellung von beruflicher Tätigkeit, wie er hier verwandt wird, bezieht sich auf die Befreiung von der beruflichen Tätigkeit in genereller und vollumfänglicher Hinsicht, damit das Betriebsratsmitglied die Möglichkeit erhält, sich der Betriebsratsarbeit zu widmen. Für die Dauer der Freistellung besteht keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung. Die befreiten Betriebsratsmitglieder unterliegen nicht mehr dem Direktionsrecht des Arbeitgebers (BAG, Urteil v. 23.9.2014, 9 AR 1100/12[1]). Anstelle der Arbeitspflicht tritt die Verpflichtung des Betriebsratsmitglieds während seiner arbeitsvertraglichen Arbeitszeit im Betrieb am Sitz des Betriebsrats, dem er angehört, anwesend zu sein und sich dort für anfallende Betriebsratsarbeit bereitzuhalten (BAG, Beschluss v. 28.9.2016, 7 AZR248/14[2]).Das Betriebsratsmitglied kann auch von anderen Funktionen wie etwa dem Amt des betrieblichen Datenschutzbeauftragten (§ 4 f BDSG) freigestellt werden.[3] Der Freistellungsbegriff in § 38 BetrVG steht zu dem Begriff der Befreiung von beruflicher Tätigkeit, wie er in § 37 Abs. 2 BetrVG zugrunde gelegt wird, insoweit im Gegensatz, als dort vor allem der Fall der notwendigen Arbeitsversäumnis erfasst wird, um aus konkretem Anlass Betriebsratsaufgaben zu erfüllen.[4] Andererseits enthält § 37 Abs. 2 BetrVG die Grundregel, die durch § 38 BetrVG lediglich konkretisiert wird.[5] Der Freistellungsregelung des § 38 Abs. 1 BetrVG liegt die Vermutung des Gesetzgebers zugrunde, dass in Betrieben der dort genannten Größenordnung erforderliche Betriebsratstätigkeit i. S. v. § 37 Abs. 2 BetrVG regelmäßig in einem solchen Umfang anfällt, dass sie die Arbeitszeit eines oder mehrerer Betriebsratsmitglieder voll in Anspruch nimmt (BAG, Beschluss v. 10.7.2013, 7 ABR 22/12[6]).

[1] NZA 2015, 179.
[2] NZA 2017, 335.
[3] Dzida/Kröpelin, NZA 2011, 1018.
[4] Vgl. auch Fitting, § 38 Rz. 7; Jülicher, AuR 1973, 161.
[5] GK/Weber, § 38 Rz. 9.
[6] NZA 2013, 1221.

2.2 Freistellungsstaffel

 

Rz. 3

Für Betriebe bis in der Regel 10.000 Arbeitnehmern ergibt sich die Mindestzahl der Freistellungen unmittelbar aus der Tabelle in Abs. 1 Satz 1. Das Gesetz enthält aber keine Begrenzung der Mindestzahl von einer bestimmten Betriebsgröße an, sondern aus Abs. 1 Satz 2 ergibt sich, dass in Betrieben mit über 10.000 Arbeitnehmern die Zahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder sich für je angefangene weitere 2.000 Arbeitnehmer um ein Betriebsratsmitglied erhöht.

 

Rz. 4

Die erforderliche Arbeitnehmerzahl muss dem Betrieb angehören, für den der Betriebsrat gebildet ist; es gilt insoweit die betriebsverfassungsrechtliche Abgrenzung, sodass Betriebsteile unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 als selbstständige Betriebe gelten und Betriebsteile unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 zum Betrieb gehören. Maßgebender Zeitpunkt für die Feststellung der Schwellenwerte ist der Zeitpunkt des Freistellungsbeschlusses. Künftige Veränderungen der Arbeitnehmerzahl, die nicht unmittelbar bevorstehen, können allenfalls eine spätere Anpassung der Zahl der Freizustellenden bedingen (BAG, Beschluss v. 2.9.2017, 7 ABR 51/15[1]).

 
Hinweis

Wer Arbeitnehmer ist, richtet sich nach dem betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff (§ 5 Abs. 1). Die in § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG genannten Beschäftigten sind bei den organisatorischen Schwellenwerten des Betriebsverfassungsgesetzes und somit auch bei § 38 BetrVG – zu berücksichtigen (BAG, Beschluss v. 12.9.2012, 7 ABR 37/11[2]). Hierfür streitet entscheidend der Zweck der Regelung: Die in den Organisationsvorgaben geregelte Abhängigkeit etwa der Betriebsratsgröße oder des Freistellungsumfangs von der Anzahl der in der Regel im Betrieb beschäftigten (wahlberechtigten) Arbeitnehmer trägt dem Umstand Rechnung, dass hiervon der dem Betriebsrat entstehende Tätigkeitsaufwand maßgeblich bestimmt wird. Somit zählen die in Privatbetrieben tätigen Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes bei den Schwellenwerten mit (BAG, Beschluss v. 15.12.2011, 7 ABR 65/10[3]).

 

Rz. 5

Gemäß § 14 Abs. 2 Satz 4 AÜG zählen auch Leiharbeitnehmer bei den Schwellenwerten im Entleiherbetrieb mit. Durch diese im Zuge der AÜG-Reform zum 1.4.2017 eingeführte Vorschrift wurde d...

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