1 Allgemeines

 

Rz. 1

§ 14 a BetrVG sieht seit 2001 für kleinere Betriebe mit dem Ziel der Vereinfachung und Beschleunigung ein sogenanntes vereinfachtes Wahlverfahren vor. Mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz[1] sind der verpflichtende (fünf bis 100 Arbeitnehmer, zuvor fünf bis 50 Arbeitnehmer) und der durch Vereinbarung zwischen Wahlvorstand und Arbeitgeber mögliche Anwendungsbereich des vereinfachten Wahlverfahrens (101 bis 200 Arbeitnehmer, zuvor 51 bis 100 Arbeitnehmer) ausgeweitet worden.

Aufgrund der Verfahrensvorschriften für das vereinfachte Wahlverfahren kann innerhalb sehr kurzer Zeit ein Betriebsrat gebildet werden.[2]

 

Rz. 2

Das vereinfachte Wahlverfahren gilt für Betriebe mit in der Regel bis zu 100 wahlberechtigten Arbeitnehmern zwingend (§ 14 a Abs. 1 Satz 1 BetrVG). Zum Begriff "in der Regel beschäftigte Arbeitnehmer" siehe § 1 Rz. 46; hierbei sind auch wahlberechtigte Leiharbeitnehmer (siehe die Kommentierung zu § 7 BetrVG Rz. 9 ff.) bei der Berechnung der Schwellenwerte mitzuzählen (§ 14 Abs. 1 S. 4 AÜG).

In größeren Betrieben von in der Regel 101 bis zu 200 wahlberechtigten Arbeitnehmern gilt das vereinfachte Wahlverfahren ferner fakultativ. Einigen sich Arbeitgeber und Wahlvorstand auf die Anwendung des vereinfachten Wahlverfahrens, so findet die Wahl nach Maßgabe der § 14 a BetrVG und § 36 WO BetrVG statt (§ 37 WO BetrVG). Die Vereinbarung zwischen Wahlvorstand und Arbeitgeber ist freiwillig und nicht erzwingbar. Ist eine Seite nicht zu der Vereinbarung bereit, findet das ordentliche Wahlverfahren nach § 14 BetrVG und der Wahlordnung zum Betriebsverfassungsgesetz statt.

Zur Vereinbarung eines vereinfachten Wahlverfahrens ist eine Schriftform zwar nicht erforderlich[3], es genügt jedoch nicht, dass der Arbeitgeber nur zugegen ist, wenn der Wahlvorstand die vereinfachte Wahl beschließt (BAG, Beschluss v. 19.11.2003, 7 ABR 24/03). Wird ohne Zustimmung des Arbeitgebers in Betrieben von in der Regel 101 bis 200 wahlberechtigten Arbeitnehmern eine vereinfachte Betriebsratswahl durchgeführt, ist sie anfechtbar (BAG a. a. O.)

Der Gesetzgeber hat es versäumt klarzustellen, wie weit eine Vereinbarung zwischen Wahlvorstand und Arbeitgeber bindet. Insbesondere hat der Gesetzgeber die Vereinbarung nicht einer Regelungsabrede oder Betriebsvereinbarung im Sinne des § 77 BetrVG gleichgestellt. Der Gesetzgeber hat nicht einmal dem Wahlvorstand eine begrenzte Rechts- oder Geschäftsfähigkeit vergleichbar dem Betriebsrat beigemessen. Dies hätte im Übrigen auch zu Wertungswidersprüchen geführt. Denn eine gleiche Vereinbarung über ein vereinfachtes Wahlverfahren hat der Gesetzgeber auch für den Wahlvorstand der Jugend- und Auszubildendenvertretung eingeräumt (§ 63 Abs. 5 BetrVG). Schon der Jugend- und Auszubildendenvertretung selbst wird aber allgemein die Fähigkeit abgesprochen, Vereinbarungen zu treffen. Mangels anderer Anhaltspunkte gilt dies daher auch für den Wahlvorstand für die Jugend- und Auszubildendenvertretung.

Mangels Rechts- und Geschäftsfähigkeit des Wahlvorstandes für die Betriebsratswahl können die Vereinbarungen nach § 14 Abs. 5 BetrVG keine (wirksamen) Rechtsgeschäfte sein. Sie sind allenfalls geschäftsähnliche Handlungen. Ihre Bindungswirkung ist am Sinn und Zweck der Norm zu orientieren. Arbeitgeber und Wahlvorstand sollen für die Belegschaft die einfachere und schnellere Wahl des Betriebsrates ermöglichen. Genauso wie die Vereinbarung bis zur Durchführung der Wahl (Stimmabgabe) getroffen werden kann, kann sie in der gleichen Zeit auch widerrufen werden. Mit Beendigung der Stimmabgabe ist die Vereinbarung weder durch den Wahlvorstand noch durch den Arbeitgeber widerrufbar.

 

Rz. 3

Für Betriebe mit mehr als 200 wahlberechtigten Arbeitnehmern kann das vereinfachte Wahlverfahren auch nicht freiwillig vereinbart werden. Wahlen in größeren Betrieben nach dem vereinfachten Wahlverfahren sind nichtig.

 

Rz. 4

§ 14 a BetrVG führt als neuen Begriff die Wahlversammlung ein, während früher und auch künftig in § 17 BetrVG der Begriff Betriebsversammlung verwendet wird. Betriebsversammlung meint die Betriebsversammlung im Sinne der §§ 42 ff. BetrVG, deren Vorschriften allerdings nur eingeschränkt anwendbar sind (s. § 17 Rz. 5). Der Unterschied zur Wahlversammlung lässt sich aus § 14 a Abs. 4 BetrVG schließen. Während auf der Betriebsversammlung alle Arbeitnehmer unabhängig von ihrer Wahlberechtigung teilnahmeberechtigt sind, scheint § 14 a BetrVG eine Wahlversammlung im Auge zu haben, an der nur die wahlberechtigten Arbeitnehmer des Betriebs teilnehmen dürfen. Kraft ausdrücklicher Anordnung ist allein § 44 Abs. 1 BetrVG (Zeitpunkt und Verdienstausfall) auf die Wahlversammlung anwendbar.

[1] Gesetz zur Förderung der Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt vom 14.6.2021, in Kraft seit 18.6.2021, BGBl. I S. 1762.
[2] Dies birgt für Arbeitgeber und Belegschaft Chancen, vor allem aber auch Risiken. Wenn sich bei einer Minderheit der Belegschaft, bei einer Gewerkschaft, dem Gesamt- oder Konzernb...

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