Einführung

Angesichts fortbestehender Gefährdungen durch COVID-19 hat der Gesetzgeber die zuletzt zum 19.3.2022 ausgelaufene Möglichkeit, Betriebsversammlungen und Sitzungen der Einigungsstelle auch mittels audiovisueller Einrichtungen stattfinden zu lassen, nochmals reaktiviert. Mit einer Fortschreibung des Infektionsschutzgesetzes[1] erfährt § 129 BetrVG erneut seine Wiederbelebung, dieses Mal befristet bis zum 7.4.2023.

Zu Beginn der COVID-19-Pandemie ermöglichte § 129 BetrVG zunächst vom 20.5.2020[2] und nach einer Verlängerung bis zum 30.6.2021 eine Beschlussfassung per Telefon- oder Videokonferenz in Sitzungen des Betriebsrats unter bestimmten Voraussetzungen. Entsprechendes galt für die Durchführung von Einigungsstellensitzungen, und auch Betriebsversammlungen konnten mittels audiovisueller Einrichtungen durchgeführt werden.

Zwischenzeitlich hat der Gesetzgeber durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz mit § 30 Abs. 2 und 3 BetrVG dauerhaft die Möglichkeit geschaffen, an Betriebsratssitzungen mittels Video- oder Telefonkonferenz teilzunehmen, diese Möglichkeiten wurden jedoch nicht für die Einigungsstelle vorgesehen und auch die Betriebsversammlung mittels audiovisueller Einrichtungen wurde nicht weiter ermöglicht.

Im Zuge der vierten Welle der Covid-19-Pandemie wurde sodann eine solche Notwendigkeit wieder deutlich und der Gesetzgeber hat befristet bis zum 19.3.2022 die Regelungen für die Betriebsversammlungen und die Sitzungen der Einigungsstelle wieder "aufleben" lassen.[3]

Die aktuelle Regelung nimmt nun wiederum eine Verlängerung vor[4] dieses Mal befristet bis zum 7.4.2023. § 129 BetrVG Abs. 1 und Abs. 2 BetrVG bleiben unverändert , die in Abs. 3 zuletzt geregelte Verlängerungsmöglichkeit durch Beschluss des Bundestages entfällt

[1] Art. 6d des Gesetzes zur Stärkung des Schutzes der Bevölkerung und insbesondere vulnerabler Personengruppen vor COVID-19 v. 16.9.2022, BGBl. I S. 1454, 1470.
[2] Gesetz zur Förderung der beruflichen Weiterbildung im Strukturwandel und zur Weiterentwicklung der Ausbildungsförderung vom 20.5.2020, BGBl. I vom 28.5.2020, S. 1044, Art. 5 S. 1051 und Art. 4 des Gesetzes zur Beschäftigungssicherung infolge der COVID-19-Pandemie (Beschäftigungssicherungsgesetz -BeschSiG) vom 3.12.2020, BGBl. I Nr. 59 v. 9.12.2020, S. 2691, 2692, mit dem die ursprüngliche Geltungsdauer um weitere 6 Monate bis zum 30.6.2021 verlängert wurde.
[3] "Gesetz zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie" vom 10.12.2021, Art. 5, BGBl. I S. 5170.
[4] S. o.

1 Einleitung

 

Rz. 1

§ 129 BetrVG regelt nunmehr in Abs. 1, dass Versammlungen nach den §§ 42, 53 und 71 BetrVG bis zum Ablauf des 7.4.2023 auch mittels audiovisueller Einrichtungen durchgeführt werden können, wenn sichergestellt ist, dass nur teilnahmeberechtigte Personen Kenntnis von dem Inhalt der Versammlung nehmen können. Eine Aufzeichnung ist unzulässig.

Nach § 129 Abs. 2 BetrVG ist es möglich, Sitzungen der Einigungsstelle sowie die Beschlussfassung bis zum Ablauf des 7.4.2023 auch mittels einer Video- und Telefonkonferenz durchzuführen, wenn sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können.

2 Betriebs- und Abteilungsversammlungen, Betriebsräteversammlung

 

Rz. 2

Nach § 129 Abs. 1 BetrVG können Betriebsversammlungen und Abteilungsversammlungen nach § 42 BetrVG, die Betriebsräteversammlung nach § 53 BetrVG sowie die Jugend- und Auszubildendenversammlung mittels audiovisueller Einrichtungen durchgeführt werden, wenn sichergestellt ist, dass nur teilnahmeberechtigte Personen Kenntnis von dem Inhalt der Versammlung nehmen können. Eine Aufzeichnung ist unzulässig.

Der Begriff der Durchführung mittels "audiovisueller Einrichtungen" ist weiter als der der "Video- und Telefonkonferenzen" nach Abs. 2. bzw § 30 Abs. 2 BetrVG. Eine Möglichkeit zur Aussprache muss nicht bestehen, ist aber – soweit die technischen Voraussetzungen bestehen – zulässig, wie bei jeder anderen Betriebsversammlung auch. Die Gesetzesbegründung zur ersten Sonderregelung nennt eine Übertragung in Videokonferenzräume des jeweiligen Betriebs oder die Übertragung über das Intranet als Beispiele.

Durch diese ebenfalls nur befristet geschaffene Möglichkeit ist die COVID-19-Pandemie nun kein Grund mehr, weniger oder keine Betriebsversammlungen als nach § 43 Abs. 1 BetrVG vorgeschrieben sind, einzuberufen.

Ob von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, entscheidet der Betriebsrat als Gremium, denn er hat nach § 43 Abs. 1 S. 1 BetrVG über die Einberufung zu entscheiden. Das Landesarbeitsgericht Hamm[1] hat dazu entschieden, dass der Betriebsrat über die Art der Durchführung nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet und einen Beurteilungsspielraum hat. Eine audiovisuelle Durchführung der Betriebsversammlung sei nicht gleichwertig zu einer Präsenzveranstaltung. § 129 Abs. 3 Satz 1 BetrVG ändere daran nichts. In diesem Fall hat der Arbeitgeber auch zusätzliche Kosten zur Umsetzung eines Hygienekonzepts, hier durch die Anmietung einer Schützenhalle, zu tragen.

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