Rz. 39

Die Darlegungs- und Beweislast für die Auflösungsgründe trägt jeweils die Seite, die den Auflösungsantrag stellt.

Pauschale Behauptungen oder Wertungen genügen nicht. Es bedarf einer konkreten Darlegung der Tatsachen, aus denen sich der Auflösungsgrund ergeben soll. Hieran scheitern viele Anträge in der arbeitsgerichtlichen Praxis, weil sich die Darlegung auf Wertungen und Vermutungen beschränkt. Es bedarf der Darlegung konkreter Geschehensabläufe. Die Behauptung etwa, die Betriebsleitung habe eine "Politik der kleinen Nadelstiche" betrieben, ist ohne Darstellung entsprechender Geschehensabläufe daher unsubstanziiert.[1]

Auch wenn eine Partei den Auflösungsantrag auf den Tatbestand der üblen Nachrede nach § 186 StGB stützt, trägt sie die Darlegungs- und Beweislast für den Auflösungsgrund. Allerdings kann sich der Antragsgegner dann, wenn es um das Nichtvorliegen einer Tatsache geht, nicht mit einem bloßen Bestreiten wehren. Er muss sich im Rahmen der sekundären Beweislast zeitlich, räumlich oder inhaltlich konkret einlassen, sonst gilt der Vortrag des Antragstellers als unstreitig.

 
Praxis-Beispiel

(nach BAG, Urteil v. 16.12.2021, 2 AZR 356/21[2])

Ein Arbeitgeber stützt den Auflösungsantrag darauf, dass der gegen eine ordentliche Kündigung klagende Arbeitnehmer zu Unrecht behauptet habe, in seiner Anwesenheit sei ein Vorgesetzter A von einer Mitarbeiterin M über eine sexuelle Belästigung informiert worden, ohne etwas zu unternehmen.

Im Rahmen der primären Beweislast kann, da es um das Nichtvorliegen einer Tatsache geht, der Arbeitgeber behaupten, dass dies nicht zutrifft. Der Arbeitnehmer als Antragsgegner muss sodann im Rahmen der sekundären Beweislast die Unterrichtung des Vorgesetzten zeitlich, räumlich und inhaltlich konkretisieren. Erfolgt dies aus welchem Grund auch immer nicht, gilt der Vortrag des Arbeitgebers als unstreitig.

 
Hinweis

Das Arbeitsgericht darf als Auflösungsgründe nur die Tatsachen berücksichtigen, die von der Antrag stellenden Partei vorgebracht worden sind. Selbst offenkundige Tatsachen müssen außer Betracht bleiben, wenn sich die antragstellende und damit darlegungspflichtige Partei nicht hierauf berufen hat.[3] Ein Arbeitsgericht kann sich daher bei gestelltem Auflösungsantrag nicht aus den Prozessakten und den Äußerungen der Parteien den Auflösungsgrund selbst heraussuchen. Weiter müssen Handlungen oder Unterlassungen eines Prozessbeteiligten zu entscheidungserheblichen Tatsachen umfassend gewürdigt werden.[4]

 

Rz. 40

Die Darlegungs- und Beweislast bezieht sich auf die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes als Zulässigkeitsvoraussetzung und auf die Auflösungsgründe.

 
Praxis-Beispiel

Der Arbeitgeber kündigt ordentlich einem Buchhalter wegen des dringenden Verdachts auf Unterschlagungen. Der Arbeitnehmer stellt einen Auflösungsantrag, weil der Vorwurf leichtfertig aufgestellt worden sei.

Führt eine Beweisaufnahme zu keiner Klärung und steht damit auch nicht fest, dass der Arbeitgeber den Vorwurf leichtfertig erhoben hat, wird der Kündigungsschutzklage stattgegeben und der Auflösungsantrag des Arbeitnehmers zurückgewiesen.

 

Rz. 41

Stellt der Arbeitgeber den Auflösungsantrag, so muss er zugleich darlegen und beweisen, dass keine sonstigen Unwirksamkeitsgründe vorliegen. Beim Auflösungsantrag des Arbeitnehmers muss dieser nicht beweisen, dass die Kündigung auch sozial ungerechtfertigt war.

 
Praxis-Beispiel

Der Arbeitnehmer klagt gegen eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung und macht auch die Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 BetrVG geltend.

Im Gütetermin erklärt der Arbeitgeber, dass die Kündigung tatsächlich nach § 102 BetrVG unwirksam sei und von weiterem Vortrag zur Betriebsbedingtheit der Kündigung abgesehen werde. Stellt der Arbeitnehmer einen Auflösungsantrag, ist von einer auch sozial ungerechtfertigten Kündigung auszugehen, wenn der Arbeitgeber die Kündigungsgründe nicht darlegt und beweist. Es bleibt bei der Darlegungs- und Beweislast nach § 1 KSchG.

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