Rz. 47

Eine Änderung arbeitsvertraglicher Ansprüche durch Betriebsvereinbarung kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Regelungen der Betriebsvereinbarung für den Arbeitnehmer günstiger sind. Das Günstigkeitsprinzip gilt auch im Verhältnis zu arbeitsvertraglichen Ansprüchen aufgrund von betrieblichen Einheitsregelungen, Gesamtzusagen oder betrieblicher Übung.[1] Nach der Rechtsprechung des BAG bestehen bei allgemeinen Sozialleistungen des Arbeitgebers insofern Besonderheiten, als hier nur ein kollektiver Günstigkeitsvergleich vorzunehmen ist. Eine Neuregelung durch Betriebsvereinbarung ist danach auch dann zulässig, wenn sich die Rechtsstellung eines Teils der Arbeitnehmer bei rein individualrechtlicher Betrachtung verschlechtert, für alle betroffenen Arbeitnehmer insgesamt die Regelungen der Betriebsvereinbarung jedoch nicht ungünstiger sind.[2] Können sich die Betriebsparteien auf eine entsprechende Regelung verständigen, bedarf es nicht des Ausspruchs von Änderungskündigungen im Verhältnis zu jedem einzelnen Arbeitnehmer.

Sind infolge eines Betriebsübergangs bei dem Betriebsveräußerer kollektivrechtlich geltende Normen nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB in die übergegangenen Arbeitsverhältnisse transformiert worden, bleibt ihr kollektiv-rechtlicher Charakter auch gegenüber dem Betriebserwerber erhalten. Sie können daher nach dem Ablösungsprinzip durch eine neue kollektivrechtliche Regelung nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB auch verschlechtert werden. Das Günstigkeitsprinzip gilt insoweit nicht.[3]

[1] BAG, Beschluss v. 16.9.1986, GS 1/82, AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 17 und BAG, Urteil v. 21.9.1989, 1 AZR 454/88, AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 43; anders, wenn die einzelvertragliche Regelung mit kollektivem Bezug "betriebsvereinbarungsoffen" ist: BAG, Urteil v. 5.3.2013, 1 AZR 417/12, NZA 2013, 916; BAG, Urteil v. 25.5.2016, 5 AZR 135/16, NZA 2016, 1327; Zur Zusage einer betrieblichen Altersversorgung und der insoweit an eine ablösende Betriebsvereinbarung zu stellende Anforderungen: BAG, Urteil v. 10.3.2015, 3 AZR 56/14, AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 68.
[2] Vgl. dazu näher Fitting, BetrVG, 31. Aufl. 2022, § 77 BetrVG, Rz. 209 ff.
[3] BAG, Urteil v. 18.11.2003, 1 AZR 604/02, AP BetrVG 1972 § 77 Nachwirkung Nr. 15, NZA 2004, 803 – für Betriebsvereinbarungen; für Tarifverträge: BAG, Urteil v. 22.4.2009, 4 AZR 100/08, NZA 2010, 41, 46/47, Rz. 64; s. auch BAG, Urteil v. 23.1.2019, 4 AZR 445/17, NZA 2019, 922, Rz. 34.

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