Rz. 142

§ 17 Abs. 3 Satz 4 KSchG regelt – in Umsetzung von Art. 3 Abs. 1 UAbs. 4 MERL – die Muss-/Pflicht-Angaben, welche zwingend in der Anzeige zu machen sind.

 

Rz. 143

Fehlt eine dieser Angaben oder enthält die Anzeige objektiv falsche Angaben, führt dies nach bisheriger BAG-Rechtsprechung (zur beabsichtigten Rechtsprechungsänderung Rz. 159 ff.) grundsätzlich zur Unwirksamkeit der Anzeige sowie der auf der Grundlage einer solchen Anzeige erklärten Kündigung (§ 134 BGB[1]). Auf die zu niedrige Angabe der Zahl der zu entlassenden Arbeitnehmer können sich jedoch nur von der Massenentlassungsanzeige nicht erfasste Arbeitnehmer berufen, da die Prüfungs- und Reaktionsmöglichkeiten der Arbeitsverwaltung hinsichtlich der Arbeitnehmer, deren Entlassung ihr angezeigt worden ist, weder positiv noch negativ durch die zu niedrige Anzahl angezeigter Entlassungen beeinflusst werden kann.[2] Allerdings muss die Anzeige die betroffenen Arbeitnehmer nicht individualisieren[3], sodass regelmäßig nicht feststellbar sein wird, ob der jeweilige Arbeitnehmer "von der Anzeige erfasst" war oder nicht.[4] Die Pflicht zur Erstattung einer Anzeige mit objektiv richtigen "Muss-Angaben" verletzt der Arbeitgeber nach Auffassung des 6. Senats des BAG, wenn er unter Verkennung des Betriebsbegriffs der MERL seiner Massenentlassungsanzeige eine falsche Betriebsstruktur zugrunde legt und darum die Zahl der "in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer" unzutreffend angibt, was nach bisheriger Rechtsprechung zur Unwirksamkeit der Anzeige sowie der auf der Grundlage einer solchen Anzeige erklärten Kündigung führt (§ 134 BGB[5]).

 

Rz. 143a

Die Unwirksamkeitsfolge tritt allerdings dann nicht ein, wenn die Massenentlassungsanzeige unerhebliche Fehler bzw. Ungenauigkeiten aufweist, die den gekündigten Arbeitnehmer nicht betreffen und keine Auswirkungen auf die sachliche Prüfung der Arbeitsverwaltung haben können.[6] Folglich haben spätere Änderungen im Sachverhalt nach Erstattung der Anzeige keine Auswirkungen auf deren Wirksamkeit, wenn der Zweck des Anzeigeverfahrens, dass sich die Arbeitsagentur auf die Entlassung einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern vorbereiten und ihre Vermittlungsbemühungen darauf einstellen kann, dennoch erfüllt wird. Dies ist z. B. der Fall, wenn eine geringere Anzahl von Entlassungen als die in der Anzeige angegebene Zahl tatsächlich erforderlich wird.[7] Nach Auffassung des 2. Senats des BAG dürfte auch die Überschreitung der angezeigten Zahl der insgesamt zu entlassenden Arbeitnehmer die auf die bevorstehende Massenentlassung bezogene Tätigkeit der Agentur für Arbeit nur beeinflussen können, wenn es sich um eine derart erhebliche Abweichung handelt, dass sie "mit einer solchen Flut" nicht rechnen musste und deshalb ihre Vermittlungsbemühungen nicht entsprechend einrichten konnte. Allenfalls dann dürfte es, um der MERL nicht ihre praktische Wirksamkeit zu nehmen, geboten sein, die Nichtigkeit – in diesem Fall aber möglicherweise aller betreffenden Kündigungen – nach § 134 BGB anzunehmen.[8] Unerheblich ist, wenn bei der Nennung der in der Regel Beschäftigten ein Arbeitnehmer (von 163) unberücksichtigt geblieben oder bei einem Arbeitnehmer eine falsche Berufsgruppe angegeben worden ist.[9]

 

Rz. 144

Fehlende oder fehlerhafte Angaben in der Massenentlassungsanzeige können durch Nachholung der richtigen und vollständigen Angabe nur bis zum Ausspruch der Kündigung bzw. der sonstigen vom Arbeitgeber veranlassten Beendigungshandlung geheilt werden. Wird die Anzeige erst nach Ausspruch bzw. Zugang der Kündigung wirksam vervollständigt, muss die Kündigung erneut ausgesprochen werden. Eine nachträgliche Heilung des Verstoßes gegen die aus § 17 KSchG folgenden Pflichten tritt auch nicht ein, wenn die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der §§ 17 ff. KSchG nach Ausspruch der Kündigung entfallen.[10]

 

Rz. 145

Die in der Anzeige erforderlichen Muss-Angaben sind in § 17 Abs. 3 Satz 4 KSchG abschließend aufgelistet und umfassen

  • Name des Arbeitgebers,
  • Sitz des von der Massenentlassung betroffenen Betriebs,
  • Art des Betriebs,
  • Gründe für die geplanten Entlassungen,
  • Zahl und Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
  • Zahl und Berufsgruppen der i. d. R. beschäftigten Arbeitnehmer,
  • Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen, und
  • die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer.
 

Rz. 146

Neben dem Namen des Arbeitgebers sowie dem Sitz und der Art des von der Massenentlassung betroffenen Betriebs hat der Arbeitgeber nach dem Wortlaut des § 17 Abs. 3 Satz 4 KSchG dieselben Angaben zu machen wie nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 KSchG gegenüber dem Betriebsrat. Daher kann im Prinzip auf die obige Kommentierung zu § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 KSchG (Rz. 99 ff.) verwiesen werden. Allerdings ist bei den Anforderungen an Genauigkeit und Detailgrad der Angaben zu berücksichtigen, dass das Konsultationsverfahren und das Anzeigeverfahren unterschiedliche Zwecke verfolgen.[11] Der Zweck des Anzeigeverfahrens, d...

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