1 Allgemeines

 

Rz. 1

Durch das BetrVG 1972 ist der Anwendungsbereich des § 16 KSchG entsprechend der Neufassung des § 15 KSchG auf den dort genannten Personenkreis erstreckt worden.[1] Die Norm gewährt den durch § 15 KSchG geschützten Personen nach rechtskräftigem Obsiegen im Kündigungsschutzprozess ein Wahlrecht zwischen der Rückkehr in den alten Betrieb oder der Aufrechterhaltung eines inzwischen eingegangenen neuen Arbeitsverhältnisses.

Sie bezweckt die Gleichstellung des durch § 15 KSchG geschützten Personenkreises mit den übrigen Arbeitnehmern, denen nach § 12 KSchG bei Feststellung der Sozialwidrigkeit der Kündigung ein entsprechendes Wahlrecht zukommt.[2]

[1] S. Thüsing, § 15, Rz. 6 ff.
[2] S. ErfK/Kiel, 24. Aufl. 2024, KSchG § 16 Rz. 1.

2 Voraussetzungen

 

Rz. 2

Die Anwendung des § 16 KSchG setzt die rechtskräftige gerichtliche Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung einer der in § 15 Abs. 13b KSchG genannten Personen bzw. die Feststellung voraus, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst worden ist.[1]

 
Hinweis

Hierbei reicht die in einem Rechtsstreit mit anderem Streitgegenstand (z. B. auf Fortzahlung der Vergütung) inzidenter getroffene Feststellung der Unwirksamkeit nicht aus, sondern der Antrag auf eine solche Feststellung muss Streitgegenstand des Prozesses gewesen sein.[2]

 

Rz. 3

Liegt eine entsprechende gerichtliche Entscheidung vor und will der Arbeitnehmer an dem alten Arbeitsverhältnis nicht festhalten, muss er binnen einer Woche nach Rechtskraft des Urteils durch Erklärung gegenüber dem alten Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung bei diesem verweigern (§ 16 Satz 1 KSchG). Hierzu genügt es, dass der Arbeitnehmer eine entsprechende schriftliche Mitteilung innerhalb der Frist zur Post gibt.[3] Das alte Arbeitsverhältnis erlischt mit Zugang der fristgemäß abgegebenen Verweigerungserklärung (§ 16 Satz 2 KSchG i. V. m. § 12 Satz 3 KSchG).[4]

 

Rz. 4

Macht der Arbeitnehmer nicht von seinem Klagerecht Gebrauch, beharrt aber auf der Unwirksamkeit der Kündigung und erkennt der Arbeitgeber schließlich deren Unwirksamkeit an, so besteht das Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber unverändert fort.[5] Dem Arbeitnehmer steht kein Wahlrecht nach § 16 Satz 1 KSchG zu; er kann das Arbeitsverhältnis einseitig nur durch eine ordentliche oder ggf. außerordentliche Kündigung beenden.[6]

 

Rz. 5

Verlangt nun der bisherige Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, ist der Arbeitnehmer hierzu nicht verpflichtet, wenn er zwischenzeitlich ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen ist. Der der Arbeitsaufnahme entgegenstehende Hinderungsgrund in Form des neuen Arbeitsverhältnisses kann dem Arbeitnehmer nicht als schuldhaftes Verhalten zugerechnet werden, da er im Hinblick auf § 615 Satz 2 BGB das neue Arbeitsverhältnis eingehen durfte.[7]

[1] KR/Kreft, 13. Aufl. 2022, § 16 KSchG, Rz. 3; ErfK/Kiel, 24. Aufl. 2024, § 16 KSchG, Rz. 2.
[2] ErfK/Kiel, 24. Aufl. 2024, § 16 KSchG, Rz. 2; KR/Kreft, § 16 KSchG, Rz. 3; BTM/Backmeister, KSchG, 4. Aufl. 2009, § 16 KSchG, Rz. 1.
[3] ErfK/Kiel, 24. Aufl. 2024, § 16 KSchG, Rz. 2; BeckOK/Volkening, 68. Edition, Stand: 1.06.2023, § 16 KSchG, Rz. 4.
[4] Vgl. hierzu Rambach, § 12, Rz. 32.
[5] KR/Kreft, § 16 KSchG, Rz. 5.
[6] KR/Kreft, § 16 KSchG, Rz. 5.
[7] KR/Kreft, § 16 KSchG, Rz. 5

3 Vergütungsanspruch

 

Rz. 6

Verweigert der Arbeitnehmer nach rechtskräftiger Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung die Fortsetzung des bisherigen Arbeitsverhältnisses, besteht ein Anspruch auf entgangenen Verdienst nur für den Zeitraum zwischen der Entlassung und dem Tag des Eintritts in das neue Arbeitsverhältnis (§ 16 Satz 2 KSchG i. V. m. § 12 Satz 4 KSchG). Hinsichtlich der Anrechnung etwaiger sonstiger Verdienste auf diesen Entgeltanspruch gilt § 11 KSchG entsprechend (§ 16 Satz 2 KSchG).[1]

 

Rz. 7

Verweigert der gekündigte Arbeitnehmer die Weiterarbeit beim bisherigen Arbeitgeber, ohne dass die Unwirksamkeit der Kündigung gerichtlich festgestellt wurde, so führt die Anerkennung der Rechtsunwirksamkeit der Kündigung durch den Arbeitgeber, verbunden mit der Aufforderung zur Wiederaufnahme der Arbeit, zur Beendigung des Annahmeverzugs (§ 615 BGB) des alten Arbeitgebers.[2] Ab dem Zeitpunkt, ab dem der vormals gekündigte Arbeitnehmer seine Arbeit bei seinem bisherigen Arbeitgeber wieder aufnehmen soll, entfällt der Anspruch auf Zahlung einer Vergütung wegen Annahmeverzugs, da der Arbeitnehmer selbst nicht mehr leistungswillig ist.[3]

 
Hinweis

Der Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung ist nicht wie im Fall des § 12 Satz 4 KSchG auf die Zeit bis zum Eintritt in das neue Arbeitsverhältnis beschränkt.[4] § 12 KSchG gelangt hier nicht zur Anwendung, da es an der hierfür erforderlichen rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung über die Unwirksamkeit der Kündigung bzw. des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses mangelt. Bis zur Aufforderung des bisherigen Arbeitgebers, die Arbeit wieder aufzunehmen, kann – sofern keine konkreten Anhaltspunkte für eine gegenteilige Annahme vorliegen – nicht von der mangelnden Leistungswilligkeit des Arbeitn...

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