Rz. 11

Um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung beurteilen zu können, ist stets ein Blick auf eine entsprechende ordentliche Kündigung sinnvoll. Erstens ist für die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses die Kündigungsfrist einer ordentlichen Kündigung entscheidend (hierzu Rz. 49 ff.).

Und zweitens stellt eine ordentliche Kündigung das mildere Mittel gegenüber einer außerordentlichen (und damit i. d. R. fristlosen) Kündigung dar. Deshalb ist eine außerordentliche Kündigung jedenfalls dann unwirksam, wenn nicht einmal eine ordentliche zulässig wäre.[1]

 

Rz. 12

Eine außerordentliche Kündigung muss für den Erklärungsempfänger eindeutig als solche zu verstehen sein. Ergibt sich aus der Kündigungserklärung nicht unmissverständlich, dass das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist beendet werden soll, handelt es sich nicht um eine außerordentliche, sondern um eine ordentliche Kündigung.[2] Eine Kündigung "mit sofortiger Wirkung" oder "fristlos" genügt, es sei denn, die Erklärung lässt sich dahingehend verstehen, dass der Kündigende das Arbeitsverhältnis aus einem Grund beenden möchte, der nicht – wie § 626 BGB – ein Unwerturteil voraussetzt, wie es etwa bei der Berufung auf Formmängel oder der Anfechtung des Arbeitsvertrags der Fall ist.[3]

Verbindet der Kündigende mit der Kündigung einen Zeitpunkt, zu dem die Kündigung in der Zukunft wirken soll, kann hierin grds. keine außerordentliche Kündigung gesehen werden, wenn der Kündigende nicht gleichzeitig deutlich macht, dass es sich dabei lediglich um eine Auslauffrist zu einer außerordentlichen Kündigung handelt. Es liegt dann eine ordentliche Kündigung vor.[4] Eine "rückwirkende" Kündigung, d. h. eine Kündigung zu einem in der Vergangenheit liegenden Datum, dürfte aus diesen Gründen ebenfalls nicht als außerordentliche Kündigung zu verstehen sein.

 

Rz. 13

Für den Arbeitgeber besteht statt einer außerordentlichen Kündigung stets die Möglichkeit, dem Arbeitnehmer ordentlich zu kündigen und ihn bis zum Kündigungstermin freizustellen. Entscheidet er sich stattdessen für die außerordentliche Kündigung, folgt allein daraus selbstverständlich nicht deren Unwirksamkeit, denn die ordentliche Kündigung mit einseitiger Suspendierung bedeutet für den Arbeitgeber, dass er zur Entgeltzahlung verpflichtet bleibt.[5] Eine außerordentliche Kündigung kann allenfalls unverhältnismäßig sein, wenn der Anspruch auf Freizeitausgleich wegen Urlaubs oder Gutstunden mindestens so hoch ist, dass er den Zeitraum bis zum Beendigungstermin durch eine ordentliche Kündigung abdeckt.

 
Praxis-Beispiel

Wenn der seit einem Jahr beschäftigte Arbeitnehmer beispielsweise noch 30 Tage Urlaub hat und der Arbeitgeber mit Schreiben vom 28.9., das dem Arbeitnehmer am selben Tag zugeht, fristlos kündigt, stellt sich durchaus die Frage, ob der Arbeitgeber in diesem Fall nicht das mildere Mittel einer ordentlichen Kündigung zum 31.10. unter Freistellung und Anrechnung von Urlaub hätte wählen müssen. In einem solchen Fall dürfte die Erteilung des Urlaubs nämlich stets ermessensgerecht sein.

[1] BAG, Beschluss v. 20.1.2000, 2 ABR 40/99, NZA 2000, 592, 594; eine Ausnahme gilt allerdings bei ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern; hierzu Rz. 16 ff.
[2] Mit ggf. fehlerhafter Kündigungsfrist; BAG, Urteil v. 13.1.1982, 7 AZR 757/79, AP Nr. 2 zu § 620 BGB Kündigungserklärung; zu den Folgen einer fehlerhaften Angabe des Beendigungstermins im Kündigungsschreiben s. Wege, § 622 Rz. 9 ff.
[3] BAG, Urteil v. 13.1.1982, 7 AZR 757/79, AP Nr. 2 zu § 620 BGB Kündigungserklärung.

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