1 Allgemeines

 

Rz. 1

§ 305c BGB enthält 2 voneinander unabhängige Regelungen. Abs. 1 bestimmt, dass überraschende Klauseln von vornherein nicht Vertragsbestandteil werden. Abs. 2 sieht eine Auslegungsregel für Zweifelsfälle vor. Beide Regelungen fanden bereits vor der Schuldrechtsreform Anwendung im Arbeitsrecht, ohne dass die §§ 3 und 5 AGBG unmittelbare Geltung hatten.[1]

[1] BAG, Urteil v. 29.11.1995, 5 AZR 447/94; BAG, Urteil v. 18.8.1998, 1 AZR 589/87.

2 Überraschende Klauseln

 

Rz. 2

Nach § 305c Abs. 1 BGB sind Klauseln dann überraschend, wenn sie ungewöhnlich sind und wenn der Arbeitnehmer nicht mit ihnen zu rechnen braucht. Beide Tatbestandsvoraussetzungen, die Ungewöhnlichkeit wie auch die Überrumpelung, beeinflussen sich gegenseitig und sind daher gemeinsam zu betrachten. Je ungewöhnlicher eine Klausel ist, desto geringer sind die Anforderungen an die Überrumpelung. Umgekehrt muss die Klausel sich nicht besonders weit vom dispositiven Recht entfernen, um nicht Vertragsbestandteil zu werden, wenn sie den Arbeitnehmer überrumpeln. Letzteres ist regelmäßig anzunehmen, wenn die Klausel ohne erkennbare Trennung zwischen sonstigen Klauseln im Text "versteckt" ist.[1]

2.1 Ungewöhnliche Klausel

 

Rz. 3

Die Ungewöhnlichkeit ist an sich objektiv zu bestimmen. Sie liegt vor, wenn die Klausel von der Normalität abweicht. Was normal ist, ergibt sich insbesondere aus dem dispositiven Recht. Das dispositive Recht ist das Recht, das anwendbar wäre, wenn die Parteien überhaupt keine Regelung getroffen hätten. Je weiter sich die Klausel von dieser Normalität entfernt, desto ungewöhnlicher ist sie.[1] Abzustellen ist dabei auf den für die zu prüfende Art von Verträgen in Betracht kommenden Personenkreis.[2]

Die Ungewöhnlichkeit kann sich aber auch aus den durch die Umstände bei Vertragsschluss begründeten Erwartungen ergeben.[3] Dazu zählt der Verlauf der Vertragsverhandlungen.[4] Insofern kann auch ein subjektives Element tatbestandsbegründend sein.

Die Ungewöhnlichkeit steht auch in Zusammenhang mit dem Erscheinungsbild des Vertrags (dazu unten Rz. 4), wenn die Klausel bspw. nicht unter der Überschrift steht, unter der sie zu erwarten wäre.[5]

Je mehr die Klausel vom Normalfall abweicht, desto geringere Anforderungen werden an das Überraschungsmoment gestellt, damit die Klausel als ungewöhnlich gilt.[6]

Neben dem Vergleich mit dem dispositiven Recht lässt sich die Ungewöhnlichkeit auch anhand der für den Geschäftskreis üblichen Gestaltung bemessen.[7]

2.2 Überrumpelung

 

Rz. 4

Die Abweichung vom Normalfall ist nur dann überraschend, wenn eine Überrumpelung oder Übertölpelung des Arbeitnehmers hinzukommt. Für die Überrumpelung im Arbeitsrecht kommt es wesentlich auf die drucktechnische Gestaltung der fraglichen Klausel an. Wichtige und mit schwerwiegenden Nachteilen verbundene Regelungen müssen durch den Druck oder die Überschrift deutlich zum Vorschein treten und dürfen nicht versteckt werden.[1] Der Arbeitgeber hat die Pflicht, auf sie hinzuweisen.[2] Auch der Zuschnitt oder der ungewöhnliche Ort der Klausel im Vertrag können eine solche Überrumpelung darstellen.[3] Ergibt sich aus den Umständen des Vertragsschlusses, dass der Arbeitnehmer dennoch Kenntnis von der Regelung hatte, mag im Einzelfall doch keine Überrumpelung vorliegen. Eine Überrumpelung liegt nicht allein dadurch vor, dass der Vertrag in deutscher Sprache verfasst ist, während der Arbeitnehmer kein oder nur wenig Deutsch versteht.[4]

2.3 Rechtsfolge

 

Rz. 5

Eine i. S. d. § 305c Abs. 1 BGB überraschende Klausel wird nicht Vertragsbestandteil. Im Übrigen bleibt der Vertrag aber bestehen. Ergibt sich so eine Regelungslücke, ist diese mit dispositivem Gesetzesrecht zu schließen.

2.4 Darlegungs- und Beweislast

 

Rz. 6

Die Darlegungs- und Beweislast trägt jeweils die Partei, die sich auf ein Merkmal – also die objektive Ungewöhnlichkeit oder die subjektive Überrumpelung – beruft. Will sich der Verwender darauf berufen, dass das subjektive Moment nicht erfüllt ist, ist er insoweit darlegungs- und beweisbelastet.

2.5 Einzelfälle

 

Rz. 7

  • Ausschlussfristen sind im Arbeitsleben üblich. Sofern sie im Arbeitsvertrag hervorgehoben werden, sind sie nicht überraschend und ungewöhnlich i. S. d. § 305c.[1] Es empfiehlt sich daher, diese in einen eigenen Paragrafen aufzunehmen, der mit "Ausschlussfristen" oder "Verfallfristen" betitelt ist. Die Aufnahme von Ausschlussfristen in formularmäßige Ausgleichsquittungen wirkt überraschend.
  • Wird ein Änderungsvertrag überschrieben mit "Neuregelung der Befristung und de...

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