Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung für Überflutung eines Grundstücks nach Neubau eines Abwasserkanals

 

Normenkette

BGB § 839; GG Art. 14, 34; DDR-StHG § 1; DDR-StHG § 3 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Gera (Aktenzeichen 4 O 1282/99)

 

Tenor

1. Das Urteil des LG Gera v. 10.4.2001 (AZ: 4 O 1282/99) wird abgeändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Beschwer des Klägers beträgt 59.685,07 DM.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Gründe

Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache Erfolg.

Sie führt zur Abweisung der Klage auch insoweit, als ihr das LG stattgegeben hatte. Der Kläger begehrt Schadensersatz bzw. Entschädigung für die Überflutung seines Grundstücks in R., A.-Straße, im Juni 1995. Der Beklagte bzw. dessen Rechtsvorgängerin baute in den Jahren 1994 und 1995 einen neuen Abwasserkanal zwischen den Orten Ra. und Ro. entlang der Bundesstraße 7. Anfang Juli war ein Teil des Abwasserkanals fertiggestellt. Zum Weiterbau des Kanals wurde der damals tiefste Punkt, der Schacht B 77, abgemauert, um die Abwasserleitung hinter dem Schacht weiterbauen zu können. Das Abwasser wurde gelegentlich durch die Firma H. GmbH, die Streitverkündete zu 2), abgepumpt. Infolge von starken Regenfällen kam es Anfang Juni 1995 zu einem Anstieg des in dem Schacht angesammelten Wassers. Aus im Einzelnen streitigen Gründen gelangte das Wasser aus dem benachbarten Schacht 77a, welcher unterirdisch mit dem Schacht B 77 verbunden war, auf das Grundstück des Klägers und verursachte Schäden an dem dort befindlichen Rohbau eines Autohauses.

Das LG hat der Klage unter Abweisung i.Ü. i.H.v. etwa 2/3 der geltend gemachten Schäden stattgegeben. Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, dass zwar weder ein Anspruch aus dem Haftpflichtgesetz noch aus unerlaubter Handlung bestehe. Der Kläger habe aber einen Entschädigungsanspruch unter dem Gesichtspunkt des sog. enteignenden Eingriffs.

Dem vermag sich der Senat nicht in allen Punkten anzuschließen.

Zutreffend ist das LG davon ausgegangen, dass vorliegend eine Zustands- oder Wirkungshaftung nach § 2 Haftpflichtgesetz nicht in Betracht kommt. Zwar ist unschädlich, dass das Abwasser nach dem Ergebnis der landgerichtlichen Beweisaufnahme zunächst aus dem Schacht 77a austrat und dann oberirdisch in das Grundstück des Klägers hineinlief. Denn eine Zustands- oder Wirkungshaftung kommt auch in diesen Fällen in Betracht (vgl. BGH v. 14.7.1988 – III ZR 225/87, MDR 1989, 46 = NJW 1989, 104; Filthaut, Haftpflichtgesetz, 5. Aufl., § 2 Rz. 28 m.w.N.).

Ein Anspruch scheitert aber daran, dass die Anlage zum Zeitpunkt des Wasseraustritts unstreitig noch nicht fertig gestellt war. Sowohl Wirkungshaftung als auch Zustandshaftung beginnen erst mit der Fertigstellung und Inbetriebnahme der Anlage (vgl. OLG Oldenburg MDR 1958, 843; Filthaut, Haftungsgesetz, 5. Aufl., § 2, Rz. 19).

Zu Recht ist das LG ferner davon ausgegangen, dass keine Ansprüche aus unerlaubter Handlung gegen den Beklagten bestehen.

Ansprüche aus § 823 BGB oder § 831 BGB scheiden aus, weil nicht nur die Unterhaltung, sondern bereits der Bau einer Wasserleitung nach ständiger Rechtsprechung des BGH eine hoheitliche Aufgabe darstellt (vgl. zuletzt BGH v. 11.12.1997 – III ZR 52/97, MDR 1998, 346 = NJW 1998, 1307, m.w.N.). Danach hat eine Körperschaft bzw. vorliegend der beklagte Zweckverband im Rahmen der ihr als schlicht hoheitlicher Verwaltung obliegenden Daseinsfürsorge sowohl für die Entwässerung des Baugebietes als auch für den Schutz der Anlieger vor Überschwemmungen im Rahmen des Zumutbaren als hoheitliche Tätigkeit zu sorgen.

Für den Bereich hoheitlicher Tätigkeit kommt aber nur eine Amtshaftung gem. § 839 BGB, Art. 34 GG in Betracht; Ansprüche aus § 823 BGB oder § 831 BGB sind ausgeschlossen (vgl. nur Palandt/Thomas, BGB, 60. Aufl., § 839 Rz. 85 m.w.N.).

Es bestehen vorliegend aber auch keine Ansprüche aus Amtspflichtverletzung gem. § 839 BGB, Art. 34 GG.

Es kann insoweit dahinstehen, ob eine Verletzung einer drittschützenden Amtspflicht gegeben ist. Der Anspruch scheitert jedenfalls an einem fehlenden Verschulden des Beklagten.

Ein haftungsbegründendes Verhalten eigener Mitarbeiter des Beklagten ist weder konkret vorgetragen noch sonst ersichtlich. Für die Durchführung der Arbeiten war ausschließlich die Streitverkündete zu 2) zuständig. Mit der Bauüberwachung war allein die Streitverkündete zu 1), die B. GbR, beauftragt.

Eine Haftung des beklagten Zweckverbandes käme mithin nur in Betracht, wenn im Rahmen der Amtshaftung nach § 839 BGB dem Beklagten ein Verschulden der beiden Streitverkündeten zuzurechnen wäre.

Im Rahmen des § 839 BGB findet keine Verschuldenszurechnung gem. § 278 BGB statt. Auch eine Haftung für Verrichtungsgehilfen gem. § 831 BGB ist im Rahmen des Amtshaftungsanspruchs nicht anwendbar (vgl. Palandt/Thomas, BGB, 60. Aufl., § 839 Rz. 1, § 831 Rz. 5).

Da die Streitverkündeten ihre Leistungen auf Gr...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge