Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Bemessung der Rahmensatzgebühr Nr. 2400 VV im Verfahren vor der Vergabekammer

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der abstrakte Schwierigkeitsgrad vergaberechtlicher Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer rechtfertigt grundsätzlich die Überschreitung der in Nr. 2400 VV benannten Kappungsgrenze von 1,3, so dass für diese Verfahren ein Rahmen von 0,5 bis 2,5 eröffnet ist. Hat eine Sache einen besonders einfach gelagerten Sachverhalt geringen Umfangs zum Gegenstand, kann im Einzelfall ein Gebührensatz von unter 1,3 angemessen sein.

2. Die Kappungsgrenze von 1,3 beschränkt das dem Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 1 S. 1 RVG eingeräumte Ermessen hinsichtlich der Bestimmung des Gebührenrahmens (Obiter dictum).

 

Normenkette

RVG § 14 Abs. 1 Sätze 1, 3, Nr. 2400 VV

 

Tenor

1 Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.

3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 806,90 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist nach den §§ 116, 117 GWB statthaft und auch sonst zulässig. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats stellt der Kostenfestsetzungsbescheid einen mit dem gegen Entscheidungen der Vergabekammer vorgesehenen Rechtsmittel selbstständig anfechtbaren Verwaltungsakt dar (OLG Jena, Beschl. v. 19.10.2000 - 6 Verg 6/00, m.w.N.). In der Sache bleibt die sofortige Beschwerde ohne Erfolg.

I. Die Antragstellerin hatte am 10.8.2004 bei der Vergabekammer des Freistaats Thüringen ein Vergabeprüfungsverfahren wegen vermeintlicher Vergaberechtsmängel eingeleitet. Den Antrag hatte sie im Kern darauf gestützt, dass sie entgegen der Absicht der Antragsgegnerin, in dem zugrunde liegenden europaweiten Ausschreibungsverfahren den Zuschlag auf ein vermeintlich preisgünstigeres Konkurrenzangebot zu erteilen, tatsächlich als bestrangige Bieterin zu gelten habe. Dabei hatte die Antragstellerin bereits in der Antragsschrift eingeräumt, bestimmte Bedarfspositionen ihres Angebots versehentlich bei der Addition des Angebotsendpreises nicht berücksichtigt zu haben, mit der Folge, dass die Antragsgegnerin bei der rechnerischen Überprüfung diesen Preis nach oben zu korrigieren hatte (vgl. Bl. 5 des Nachprüfungsantrags).

Die Antragstellerin hatte gleichwohl zunächst das Vergabeprüfungsverfahren in der - irrigen - Ansicht betrieben, dass trotz der Berichtigung des Auftragsgesamtpreises keine Änderung in der Bieterrangfolge eingetreten sei und sie immer noch das preisgünstigste Angebot vorgelegt habe. Dieser Irrtum beruhte auf der Annahme, dass auch die Konkurrenzofferten die genannten Bedarfspositionen nicht in den jeweiligen Gesamtpreis einbezogen hätten. Tatsächlich war es jedoch so, dass die übrigen Angebote korrekt berechnet waren und die Antragstellerin in der preisbereinigten Bieterrangfolge nur den fünften Platz belegte, wie die Antragsgegnerin mit ihrer Antragserwiderung vom 18.8.2004 richtig stellte und wie sich ohne weiteres aus den der Vergabekammer vorgelegenen Vergabeakten ergab.

Nachdem die Antragstellerin ihren Irrtum erkannt hatte, hat sie den Nachprüfungsantrag am 26.8.2004 - noch vor Durchführung einer mündlichen Verhandlung - zurückgenommen.

Die Vergabekammer hat auf Antrag die der Antragsgegnerin gem. § 128 Abs. 4 S. 2 GWB zu erstattenden Kosten festgesetzt. Dabei hat sie auf der Grundlage des § 2 Abs. 2 S. 1 RVG i.V.m. Nr. 2400 VV einen Gebührensatz i.H.v. 1,1 angenommen. Das hat sie damit begründet, dass der Sachverhalt des zugrunde liegenden Nachprüfungsverfahrens einfach gelagert und unstreitig gewesen sei und auch in rechtlicher Hinsicht keinerlei Schwierigkeiten aufgewiesen habe. Zudem habe das Verfahren in einem sehr frühen Stadium, nämlich noch vor Durchführung einer mündlichen Verhandlung, seine Beendigung gefunden.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde, mit der ein Gebührensatz i.H.v. 1,5 geltend gemacht wird. Die für das zugrunde liegende Verfahren aufgewendete anwaltliche Tätigkeit habe nach Umfang und Schwierigkeit über dem Durchschnitt gelegen. Das ergebe sich aus dem umfangreichen Schriftwechsel der Parteien sowie aus dem Umstand, dass dem Verfahren eine europaweite Ausschreibung vorausgegangen sei. Auf den Zeitpunkt der Verfahrensbeendigung komme es entgegen der Auffassung der Vergabekammer nicht an. Mathematisch betrachtet stelle im Übrigen nicht der in Nr. 2400 VV genannte Wert von 1,3, sondern ein Gebührensatz von 1,5 den Mittelwert des festgelegten Rahmens dar. Somit sei in Anbetracht der überdurchschnittlichen Anforderungen der vorliegenden Angelegenheit zumindest von diesem mittleren Gebührensatz von 1,5 auszugehen.

Auch in systematischer Hinsicht sei die angefochtene Entscheidung fehlerhaft. Insbesondere habe die Vergabekammer nicht beachtet, dass dem Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 1 S. 1 RVG ein Ermessen eingeräumt sei. Nur wenn der von ihm bestimmte Gebührensatz unbillig sei, dürfe im Rahmen der Prüfung der Erstattungsfähigkeit gem. § 14 Abs. 1 S. 3 RVG hiervon abgewichen werden. E...

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