Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Unzulässigkeit der Berufung. Versäumnis der Berufungsfrist. ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrung trotz Widerspruch zum Tenor

 

Orientierungssatz

1. Bei der Beurteilung der Fehlerhaftigkeit einer Rechtsmittelbelehrung iS des § 66 SGG ist allein auf die förmliche Rechtsmittelbelehrung abzustellen, nicht jedoch auf den diesbezüglichen Ausspruch in der Entscheidungsformel.

2. Eine iS von § 66 SGG unrichtige Rechtsmittelbelehrung liegt dann vor, wenn sie Fehler enthält, die von einer sachgerechten Einlegung des gegebenen Rechtsmittels abhalten könnten, insbesondere wenn hierdurch die Möglichkeit der Fristwahrung gefährdet erscheint (vgl BSG vom 18.10.2007 - B 3 P 24/07 B = SozR 4-1500 § 66 Nr 1 und BFH vom 29.7.1998 - X R 3/96 = BFHE 186, 324).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 06.10.2011; Aktenzeichen B 14 AS 55/11 B)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gotha vom 12. September 2007 wird verworfen.

Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von Kosten eines Widerspruchsverfahrens streitig.

Die Kläger sind Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft und erhielten seit dem 1. Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II von der Rechtsvorgängerin des Beklagten (im Folgenden einheitlich: Beklagter).

Auf einen Folgeantrag vom 12. Mai 2006 wurden den Klägern mit Bewilligungsbescheid vom 22. Mai 2006 nachfolgende Leistungen bewilligt:

Monat 

06/06 

iHv 12,54 €

07/06 

iHv 65,54 €

08/06 

iHv 62,25 €

09-11/06

iHv 67,15 €

Der Bescheid war mit einer Rechtbehelfsbelehrung versehen, wonach Widerspruch erhoben werden könne.

Die Kläger, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigten, legten gegen diesen Bescheid am 15. Juni 2006 Widerspruch ein.

Der Beklagte erließ am 31. Mai 2006 einen den streitgegenständlichen Zeitraum betreffenden Änderungsbescheid, mit dem den Klägern nachfolgende Leistungen bewilligt wurden:

Monat 

06/06 

iHv 28,94 €

07/06 

iHv 81,94 €

08/06 

iHv 78,54 €

09-11/06

iHv 80,27 €

Dieser Bescheid war ebenfalls mit einer Rechtbehelfsbelehrung "Widerspruch" versehen.

Die Kläger legten mit Schreiben vom 15. Juni 2006 gegen den Änderungsbescheid ebenfalls Widerspruch ein und begründeten ihren Widerspruch gegen den Bescheid vom 22. Mai 2006 mit Schreiben vom 10. August 2006.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. September 2006 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 31. Mai 2006 als unzulässig zurück. Er führte zur Begründung aus, dass durch den Widerspruch gegen den Bewilligungsbescheid vom 22. Mai 2006 das Widerspruchsrecht bereits verbraucht sei und der Änderungsbescheid vom 31. Mai 2006 gemäß § 86 SGG Gegenstand dieses Widerspruchsverfahrens geworden sei. Aufwendungen der Kläger übernahm der Beklagte nicht.

Dagegen erhoben die Kläger Klage beim Sozialgericht.

Mit Änderungsbescheid vom 11. Oktober 2006 wurden den Klägern im streitgegenständlichen Zeitraum schließlich nachfolgende Leistungen bewilligt:

Monat 

06/06 

iHv 535,15 €

07/06 

iHv 496,90 €

08/06 

iHv 521,72 €

09-11/06

iHv 407,14 €

Mit Widerspruchsbescheid vom 8. November 2006 wies der Beklagte den Widerspruch der Kläger gegen den Bescheid vom 22. Mai 2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 11. Oktober 2006 zurück, erkannte allerdings die Hinzuziehung des Bevollmächtigten als notwendig an und übernahm 8/10 der notwendigen Aufwendungen der Kläger.

Die Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 13. September 2006 hat das Sozialgericht Gotha mit Gerichtsbescheid vom 12. September 2007 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass der Widerspruch der Kläger unzulässig gewesen sei, so dass der Inhalt des Widerspruchsbescheides nicht zu beanstanden sei. Die ebenfalls nicht zu beanstandende Kostenfolge des § 63 Abs. 1 SGB X ergebe sich aus dem Gesetz. Im Tenor der Entscheidung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass die Berufung nicht zugelassen wird. In der dem Gerichtbescheid beigefügten Rechtsmittelbelehrung wird demgegenüber auf das Rechtsmittel der Berufung hingewiesen; im Anschluss daran folgt in dem in den Gerichtsakten vorhandenen Urteilsexemplar die eigenhändige Unterschrift der Vorsitzenden.

Die Kläger haben gegen den am 22. Oktober 2007 zugestellten Gerichtsbescheid am 30. Oktober 2007 zunächst Nichtzulassungsbeschwerde (Az. L 7 AS 1191/07 NZB) eingelegt und mit Schriftsatz vom 22. Mai 2008 (bei Gericht eingegangen am 26. Mai 2008) mitgeteilt, dass bei einer Kostentragungspflicht des Beklagten für das Widerspruchsverfahren Kosten in Höhe von 595,- € geltend gemacht würden.

Mit Beschluss vom 15. Juli 2008 hat der 7. Senat des Thüringer Landessozialgerichts die Beschwerde gegen die Nichtzulassung zurückgewiesen, weil aufgrund des Erreichens der Berufungssumme die Berufung das zulässige Rechtsmittel sei und dem Ausspruch im Tenor zur Nichtzulassung der Berufung keine konstitutive Bedeutung zukomme. Der Beschluss wur...

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