Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Beschwerdeverfahren im einstweiligen Rechtsschutz. Gebührenfestsetzung: Bindung an ein einmal ausgeübtes Ermessen. Umfang des schriftlichen anwaltlichen Aufwands

 

Leitsatz (amtlich)

1. Einschlägige Verfahrensgebühr für ein Beschwerdeverfahren im einstweiligen Rechtsschutz vor dem LSG ist Nr 3501 VV-RVG (vgl LSG Erfurt vom 19.3.2012 - L 6 SF 1983/11 B und 14.3.1012 - L 6 SF 86/12 B; LSG Essen vom 3.8.2011 - L 7 AS 681/11 B und 5.5.2008 - L 20 B 139/07 SO; LSG Darmstadt vom 5.4.2011 - L 2 SF 205/10 E, nach juris).

2. Ein Rechtsanwalt ist an ein einmal ausgeübtes Ermessen im Rahmen der Gebührenfestsetzung grundsätzlich gebunden (vgl BGH vom 4.12.1986 - III ZR 51/85). Die Bindung besteht allerdings nur innerhalb der in der Kostenrechnung genannten Gebühren.

3. Der Umfang des schriftlichen anwaltlichen Aufwands liegt bei sechs teilweise kurzen Schriftsätzen deutlich über dem Durchschnitt des Aufwands der von Nr 3501 VV-RVG betroffenen Verfahren.

 

Normenkette

VV-RVG Nrn. 3501, 3204; RVG § 14 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 3 Abs. 1 S. 1, § 33 Abs. 3 Sätze 1, 3, § 56 Abs. 2 S. 1; SGG § 183 S. 1, § 197a Abs. 1 S. 1

 

Tenor

Auf die Beschwerde werden der Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 27. Dezember 2012 aufgehoben und die Gebühren des Beschwerdeführers auf 214,20 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Beschwerdeverfahren im einstweiligen Rechtsschutz vor dem Thüringer Landessozialgericht (Az.: L 4 AS 1129/11 B ER) streitig.

Am 9. Juni 2011 beantragten die von dem Beschwerdeführer vertretenen Antragsteller - eine Bedarfsgemeinschaft von zwei Personen - beim Sozialgericht (SG) Gotha, den Antragsgegner - ein Jobcenter - im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu gewähren und Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung des Beschwerdeführers zu bewilligen. Mit Beschluss vom 29. Juni 2011 verpflichtete das SG die Antragsgegner, dem Antragsteller zu 1. im Wege der einstweiligen Anordnung Leistungen vom 9. bis 30. Juni 2011 in Höhe von 61,53 Euro und für den Zeitraum 1. Juli bis 31. August 2011 in Höhe von monatlich 87,90 Euro zu bewilligen; der Antragsgegner habe die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu 20 v.H. zu erstatten. Mit der Beschwerde begehrte der Antragsteller zu 1. einen höheren Restbedarf von monatlich 367,40 Euro statt - wie vom SG angenommen - 87,90 Euro und Gewährung von PKH. Mit Beschluss vom 20. September 2011 bewilligte ihm der 4. Senat des Thüringer Landessozialgerichts PKH ab 1. Juli 2011 und ordnete den Beschwerdeführer bei. Am 22. September 2011 erklärte dieser das Verfahren für erledigt. Nach dem Beschluss des 4. Senats vom 5. Oktober 2011 hat die Antragsgegnerin die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu ½ zu erstatten.

In seiner Kostenrechnung vom 14. Oktober 2011 beantragte der Beschwerdeführer für das Beschwerdeverfahren die Festsetzung von 392,70 Euro:

Verfahrensgebühr Nr. 3204 VV-RVG

 310,00 Euro

Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG

20,00 Euro

Fahrtkosten Nr. 7003 VV-RVG (112 km x 0,30 Euro)

 330,00 Euro

MWSt   

 62,70 Euro

Gesamtsumme

 392,70 Euro

Unter dem 27. April 2012 wies die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UKB) diesen Betrag zur Zahlung an.

Am 24. August 2012 hat der Beschwerdegegner Erinnerung eingelegt und beantragt, die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 124,95 Euro festzusetzen. Einschlägig sei die Verfahrensgebühr Nr. 3501 VV-RVG statt der Nr. 3204 VV-RVG. Deren Mittelgebühr betrage 87,50 Euro. Mit Beschluss vom 27. Dezember 2012 hat das SG die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 127,93 festgesetzt. Die Gebühr richte sich hier entsprechend der Rechtsprechung des erkennenden Senats (Beschluss vom 15. März 2011 - L 6 SF 975/10 B) nach Nr. 3501 VV-RVG. Gegen die Mittelgebühr bestünden keine Bedenken. Der zeitliche Umfang der anwaltlichen Tätigkeit habe im durchschnittlichen Bereich, die Bedeutung über dem Durchschnitt und die Einkommens- und Vermögensverhältnisse weit unter dem Durchschnitt gelegen.

Gegen den am 16. Januar 2013 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am gleichen Tag Beschwerde eingelegt und vorgetragen, es könne gesetzessystematisch nicht richtig sein, dass die Mittelgebühr für ein Verfahren der zweiten Instanz niedriger sei als für die erste Instanz. Der zeitliche Aufwand sei höher gewesen, denn er habe umfangreiche Schriftsätze gefertigt. Rechtlich sei die Angelegenheit eher schwierig gewesen. Wenn tatsächlich die Nr. 3501 VV-RVG einschlägig sei, müsse die Höchstgebühr erstattet werden. Der Senat müsse dann ein Gutachten nach § 14 Abs. 2 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) bei der Rechtsanwaltskammer Thüringen einholen. Im Übrigen erstrecke sich die in Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG...

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