Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. keine Geschäftsgebühr gem Nr 2401, 2400 VV-RVG: grob gesetzeswidrige und damit nichtige PKH-Gewährung und Beiordnung. Verfahrensgebühr gem Nr 3103 VV-RVG: anwaltliche Tätigkeit. erhebliche Anforderungen. Erledigungsgebühr gem Nr 1006, 1005 VV-RVG: Teilanerkenntnis

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine PKH-Gewährung und Beiordnung ist für jedermann erkennbar grob gesetzeswidrig und damit nichtig, soweit sie sich zusätzlich zum Klageverfahren auch auf das vorgeschaltete Verwaltungsverfahren erstreckt.

2. Die Auswertung von medizinischen Unterlagen und eines psychiatrischen Gutachtens stellen auch im Schwerbehindertenrecht an einen Anwalt erhebliche Anforderungen.

3. Eine Erledigungsgebühr Nr 1006, 1005 VV-RVG fällt an, wenn der Rechtsanwalt ein Teilanerkenntnis annimmt und im Übrigen das Verfahren für erledigt erklärt (vgl LSG Erfurt vom 24.11.2014 - L 6 SF 1078/14 B und vom 8.5.2012 - L 6 SF 466/12 B).

 

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 14. November 2014 aufgehoben und die dem Beschwerdeführer aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung für das Verfahren S 28 SB 2737/11 auf 583,89 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren streitig. Der 1970 geborene Kläger hatte am 27. Mai 2010 bei der Beklagten die Feststellung seiner Schwerbehinderung beantragt. Gegen die ablehnenden Bescheide hatte der ihn auch im Widerspruchsverfahren vertretende Beschwerdeführer beim Sozialgericht Altenburg (SG) am 22. Juli 2011 Klage erhoben (S 28 SB 2737/11) und Prozesskostenhilfe (PKH) unter seiner Beiordnung beantragt. Das SG zog diverse medizinische Unterlagen bei und holte ein psychiatrisches Gutachten des Sachverständigen K. vom 23. Oktober 2013 ein, wonach ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 vorliegt. Mit Schriftsatz vom 29. Januar 2014 erklärte sich die Beklagte bereit, dem Kläger einen GdB von 30 zuzuerkennen. Mit Beschluss vom 11. Februar bewilligte das SG dem Kläger Prozesskostenhilfe (PKH) “ab 27.05.2010„ und ordnete den Beschwerdeführer bei. In der 10 Minuten dauernden mündlichen Verhandlung am 12. Februar 2014 nahm dieser nach der Niederschrift für den Kläger “dieses Anerkenntnis der Beklagten„ an und erklärte den Rechtsstreit für erledigt.

In seinem Antrag vom 12. Februar 2014 beantragte der Beschwerdeführer für das Verfahren die Festsetzung einer Vergütung von 1.040,66 Euro (erhaltene Beratungshilfe 99,96 Euro):

Geschäftsgebühr Nr. 2401, 2400 VV-RVG

120,00 Euro

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV-RVG

250,00 Euro

Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG

200,00 Euro

Einigungsgebühr Nr. 1006, 1005 VV-RVG

190,00 Euro

Fahrtkosten Nr. 7003 VV-RVG 180 km x 0,30 Euro

 54,00 Euro

Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV-RVG

 20,00 Euro

Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG

 40,00 Euro

Zwischensumme

874,00 Euro

Umsatzsteuer

166,06 Euro

Gesamtbetrag

 1.040,06 Euro

Mit Beschluss vom 20. Februar 2014 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) die Vergütung auf 718,76 Euro fest:

Geschäftsgebühr Nr. 2401, 2400 VV-RVG

120,00 Euro

Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG

170,00 Euro

Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG

200,00 Euro

Fahrtkosten Nr. 7003 VV-RVG 180 km x 0,30 Euro

 54,00 Euro

Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV-RVG

 20,00 Euro

Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG

 40,00 Euro

Umsatzsteuer

114,76 Euro

Gesamtbetrag

718,76 Euro

Sie führte u.a. aus, der Beschwerdeführer habe aufgrund der Tätigkeit im Verwaltungsverfahren einen geringeren Aufwand gehabt. Die Mittelgebühr der Nr. 3103 VV-RVG sei angemessen. Eine Erledigungsgebühr komme nicht in Betracht, weil keine über die Klageeinlegung hinausgehende Tätigkeit vorliege.

In seiner Erinnerung vom 27. Februar 2014 hat der Beschwerdeführer vorgetragen, die Verfahrensdauer (ca. drei Jahre) hätte sogar eine weit höhere Verfahrensgebühr als 170,00 Euro gerechtfertigt. Er habe aufgrund seiner Annahme des Anerkenntnisses und der Erledigungserklärung auch Anspruch auf die Erledigungsgebühr.

Der Beschwerdegegner hat am 12. August 2014 Erinnerung eingelegt und beantragt, die Vergütung auf 433,16 Euro festzusetzen. Eine Erstattung der Geschäftsgebühr Nr. 2400 VV-RVG komme trotz der fehlerhaften Festsetzung im Beschluss vom 11. Februar 2014 nicht in Betracht. Die Terminsgebühr könne angesichts der Dauer der Verhandlung nur in Höhe der halben Mittelgebühr und die Pauschale Nr. 7002 VV-RVG in Höhe von 20,00 Euro festgesetzt werden. Eine Erledigungsgebühr scheide aus.

Mit Beschluss vom 14. November 2014 hat das SG die Vergütung des Beschwerdeführers auf 433,16 Euro festgesetzt. Eine Geschäftsgebühr Nr. 2400 VV-RVG sei trotz des offensichtlich unrichtigen Bewilligungsdatums im PKH-Beschluss nicht anzusetzen. Die offensichtlich falsche Datenbenennung würde gegen § 119 der Zivilprozessordnung (ZPO) verstoßen. Es sei nicht davon auszugehen, dass d...

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