Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Entschädigung eines Beteiligten. Versäumung der 3-Monatsfrist. Fristbeginn mit Zustellung des Beschlusses über die Übernahme der Kosten des Gutachtens nach § 109 SGG. Fahrtkosten. reformatio in peius

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Drei-Monats-Frist des § 2 Abs 1 S 1 JVEG für die Geltendmachung der Entschädigung (hier: Fahrtkosten) beginnt mit der Zustellung des Beschlusses, dass die Kosten des Gutachtens nach § 109 SGG auf die Staatskasse übernommen werden.

2. Die Übernahme von Fahrten zum Sachverständigen vor der gerichtlichen Bestellung oder für nicht angeordnete Termine kommt nicht in Betracht.

 

Orientierungssatz

Der Antrag auf richterliche Festsetzung gem § 4 Abs 1 JVEG ist kein Rechtsbehelf. Daher gilt das Verschlechterungsverbot (sog "Verbot der reformatio in peius") bei der erstmaligen richterlichen Festsetzung nicht.

 

Tenor

Die Entschädigung des Erinnerungsführers anlässlich der Untersuchung durch Dr. A wird auf 0,00 Euro festgesetzt.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

 

Gründe

I.

Der erwerbslose Erinnerungsführer begehrte im Hauptsacheverfahren Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Unter dem 29. August 2008 beantragte sein Prozessbevollmächtigter die Einholung eines Gutachtens nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) bei dem Internisten und Rheumatologen Dr. A., J. (damaliges Az.: L 6 RJ 542/04). Mit Beweisanordnung vom 6. November 2008 verfügte die damals zuständige Berichterstatterin des 6. Senats die Einholung aufgrund ambulanter Untersuchung des Erinnerungsführers. Unter dem 8. April 2009 erstattete der Sachverständige das Gutachten und gab als Untersuchungstermine 28. August 2008 und 20. Januar 2009 an. In einem "Nachtrag zum Gutachten" auf Blatt 43 wertete er "aufgrund verspäteter Vorlage" aktuelle Röntgenaufnahmen aus. Dem Gutachten war als Anlage die Auswertung von Röntgenunterlagen der Gemeinschaftspraxis für Radiologische Diagnostik A. vom 22. April 2009 (Aufnahmen vom 21. April 2009) beigefügt.

Nach Erledigung des Verfahrens durch Vergleich am 10. Februar 2010 (ohne Kostentragung der Beklagten) beschloss der inzwischen zuständige 2. Senat des Thüringer Landessozialgerichts auf Antrag vom 12. Februar 2010 am 9. März 2010 (Az.: L 2 RJ 542/04) die Übernahme der Kosten des Gutachtens von Dr. A. auf die Staatskasse. Der Beschluss wurde dem Prozessbevollmächtigten des Erinnerungsführers am 23. März 2010 zugestellt. Unter dem 21. Juli 2010 bat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (UKB) den Erinnerungsführer um Mitteilung einer Bankverbindung zur Erstattung der Kosten des Gutachtens "sowie die im Schreiben vom 17. Juni 2010 weiterhin geltend gemachten Auslagen". Ein solches Schreiben ist in den Akten nicht enthalten.

Am 1. September 2010 reichten die Prozessbevollmächtigen den Antrag des Erinnerungsführers auf Fahrtkostenerstattung für insgesamt 596 gefahrene Kilometer (4 x W. nach J., 1 x W. nach E.) sowie pauschal 70,00 Euro für sonstige Auslagen (Papier, Porto, Briefumschläge, Arztkosten) ohne Nachweise ein. Unter dem 30. November 2010 verfügte der UKB die Überweisung von 68,00 Euro und begründete die Kürzung damit, Dr. A. habe nur zwei Untersuchungen in J. bestätigt; nur diese seien zu erstatten (68 x 4 = 372 Kilometer x 0,25 Euro).

Am 14. Januar 2011 hat der Erinnerungsführer die richterliche Festsetzung beantragt und die Erstattung von Fahrtkosten für 744 Kilometern begehrt (5 x nach J., 1 x nach E.). Was Recht sei, müsse Recht bleiben. Der UKB mache es sich zu leicht, wenn er schreibe, dass die Kosten sich nicht nachvollziehen ließen. Er habe natürlich auch in seinem Rentenverfahren Auslagen infolge von Zuarbeiten gehabt. Da er keine Quittungen gesammelt habe, sei er auch mit einem Pauschalbetrag zufrieden. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor, weil der Beschluss vom 9. März 2010 keine entsprechende Rechtsbehelfsbelehrung enthalten habe.

Der Erinnerungsführer beantragt sinngemäß,

seine Entschädigung auf 256,00 Euro festzusetzen.

Der Erinnerungsgegner beantragt,

die Entschädigung auf 0,00 Euro festzusetzen.

Er beruft sich auf Fristablauf des gestellten Antrags.

Der UKB hat der Erinnerung nicht abgeholfen (Verfügung vom 17. Januar 2011). Auf Anfrage hat der Sachverständige Dr. A. folgende Untersuchungstermine des Erinnerungsführers aufgeführt: 28. August 2008 klinische Untersuchung, 20. Januar 2009 funktionelle Untersuchung, 6. März 2009 Ultraschall, 3. April 2009 Pain detect und Röntgen, 10. April 2009 Abschlussbericht.

Der Senatsvorsitzende hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass der Antrag des Erinnerungsführers nicht innerhalb von drei Monaten nach Zugang des Beschlusses vom 9. März 2010 gestellt wurde, und das Verfahren mit Beschluss vom 22. August 2011 dem Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung übertragen.

II.

Auf die Erinnerung wird die Entschädigung auf 0,00 Euro festgesetzt.

Die Herabsenkung unter den Ansatz des UKB verstößt nicht gegen das Verschlechterungsverbot...

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