Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Festsetzung. Auswirkung einer Verbindung von Verfahren auf bereits verdiente Gebühren. Terminsdauer als Kriterium für die Bestimmung des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren ist zwischen der Festsetzung der Vergütung aus der Staatskasse (§ 55 RVG), der Geltendmachung des übergegangenen Anspruchs auf die Staatskasse (§ 59 RVG) und der Festsetzung zwischen den Beteiligten (§§ 197, 193 SGG) zu unterscheiden. Eine Vermengung ist nicht zulässig.

2. Bei einer Verbindung rechtlich selbstständiger Verfahren stehen die bereits verdienten Gebühren dem prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt weiter zu. Er kann wählen, ob er die Gebühren aus den getrennten oder aus dem verbundenen Verfahren verlangt.

3. Hinsichtlich des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit kommt es vor allem auf die Dauer des Termins an. 43 Minuten entsprechen einem gut durchschnittlichen Umfang.

 

Tenor

Auf die Beschwerde werden die Festsetzung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 15. März 2012 und ihre Beschlüsse vom 18. April 2012 unter 2. und 3. und vom 30. Mai 2012 unter 2. bis 4. und der Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 20. Januar 2014 aufgehoben und die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung des Beschwerdeführers auf 940,61 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für Klageverfahren vor dem Sozialgericht Meiningen (SG) streitig. In dem Verfahren S 23 AS 1946/11 wandte sich der von dem Beschwerdeführer vertretene Kläger gegen einen Erstattungsbescheid (215,66 Euro) vom 30. Mai 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Juli 2011 für den Zeitraum Januar bis Februar 2011. Mit Beschluss vom 15. Dezember 2011 verband das SG den Rechtsstreit mit den Verfahren S 23 AS 1947/11 (Aufhebung eines Erstattungsbescheids vom 30. Mai 2011 für Januar bis Februar 2011 der Ehefrau und des Sohnes des Klägers über 311,46 Euro) und S 23 AS 1948/11 (Aufhebung eines Erstattungsbescheids vom 30. Mai 2011 für Januar 2011 der Tochter des Klägers über 47,64 Euro); führender Rechtsstreit sei S 23 AS 1946/11. In seiner 130 Minuten dauernden Sitzung am 17. Januar 2012 verhandelte das SG das Verfahren S 23 AS 1946/11 mit zwei weiteren Verfahren der Ehefrau des Klägers (S 23 AS 1949/11, S 23 AS 1950/11), bewilligte mit Beschluss “den Klägern„ im Verfahren S 23 AS 1946/11 Prozesskostenhilfe und ordnete den Beschwerdeführer bei. Daraufhin nahmen die Kläger die Klage S 23 AS 1946/11 zurück. Die Beklagte erkannte 20 v.H. der notwendigen außergerichtlichen Kosten “der Kläger„ an.

In seinem Antrag auf Festsetzung der Vergütung vom 6. Februar 2012 machte der Beschwerdeführer Gebühren in Höhe von 1.183,80 Euro geltend:

Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG

300,00 Euro

Erhöhung nach Nr. 1008 VV-RVG

270,00 Euro

Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG

360,00 Euro

Post- und Telekommunikation

 20,00 Euro

Fahrtkosten

 27,30 Euro

Abwesenheitsgeld

 17,49 Euro

Zwischensumme

994,79 Euro

Umsatzsteuer

189,01 Euro

Gesamtbetrag

 1.183,80 Euro

Unter dem 15. März 2012 wies die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) dem Beschwerdeführer diesen Betrag an und forderte die Beklagte zu Zahlung von 20 v.H. (236,76 Euro) auf. Diese legte Erinnerung mit der Begründung ein, die Kosten für die Verfahren S 23 AS 1249/11 und S 23 AS 1950/11 seien allein durch die Staatskasse zu tragen. Von der Terminsgebühr sei allenfalls ein Drittel anzusetzen. Unter dem 18. April 2012 erließ die UdG unter dem Rubrum der Kläger gegen die Beklagte folgenden Beschluss: “1. Der Erinnerung der Beklagten gegen den Kostenansatz vom 22.03.2012 wird abgeholfen, der neu festgelegte Kostenansatz beläuft sich auf insgesamt 132,78 €. 2. Der Kostenfestsetzungsbeschluss über Prozesskostenhilfe vom 15.3.2012 wird wegen Unrichtigkeit aufgehoben, die Gebühren werden in Höhe von 663,93 € neu festgesetzt. 3. Der überzahlte Betrag in Höhe von 519,87 € ist von RA M. an die Staatskasse zurückzuerstatten.„ Zur Begründung gab sie an, Prozesskostenhilfe sei allein im Verfahren S 23 AS 1946/11 bewilligt worden; in den Verfahren S 23 AS 1949/11 und S 23 AS 1950/11 sei der entsprechende Antrag zurückgenommen worden.

Mit ihrer am 30. April 2012 eingegangenen Erinnerung rügte die Beklagte einen “offensichtlichen Rechenfehler„ (Zwischensumme 357,93 Euro statt 557,93 Euro).

Der Beschwerdeführer hat am 24. Mai 2012 ebenfalls Erinnerung eingelegt und vorgetragen, in der mündlichen Verhandlung seien drei Verfahren (S 23 AS 1946/11, S 23 AS 1949/11, S 23 AS 1950/11) verbunden worden. Die Gebühren entsprächen damit denen für alle drei Verfahren. Unter dem 30. Mai 2012 hat die UdG unter dem Rubrum der Kläger gegen die Beklagte folgenden Beschluss getroffen: “1. Die Erinnerung der Beklagten vom 22.4.2012 gegen den Beschluss (Kostenansatz) vom 18.04.2012 wird abgeholf...

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