Entscheidungsstichwort (Thema)

Maßgeblich zu berücksichtigender Arbeits- und Zeitaufwand des beigeordneten Rechtsanwalts bei dessen Vergütung nach bewilligter Prozesskostenhilfe

 

Orientierungssatz

1. Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass im Rahmen der Bestimmung der Gebührenhöhe für den Prozessbevollmächtigten der gesamte Arbeits- und Zeitaufwand auch vor dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Beiordnung in die Beurteilung einzubeziehen ist, folgt aus § 48 Abs. 4 RVG, wenn das Gericht in seinem Bewilligungsbeschluss einen anderen maßgeblichen Zeitpunkt bestimmt hat.

2. Eine im Rahmen der Beratungshilfe ausgezahlte Geschäftsgebühr ist zur Hälfte auf die im anschließenden sozialgerichtlichen Verfahren anfallenden Gebühren anzurechnen.

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 19. November 2019 wird zurückgewiesen.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

 

Gründe

Die statthafte und zulässige Beschwerde (vgl. §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 des Rechtanwaltsvergütungsgesetzes -RVG-) ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Vergütung im Ergebnis zu Recht auf 481,95 EUR festgesetzt.

Der Beschwerdeführer kann keine höhere Verfahrensgebühr als die vom Sozialgericht festgesetzten 150,00 EUR (= Hälfte der Mittelgebühr) beanspruchen. Denn das Sozialgericht hat dem Kläger im Verfahren S 51 AS 3518/15 mit Beschluss vom 11. Oktober 2016 erst ab dem 22. August 2016 ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Beschwerdeführers bewilligt. Vorangegangen war eine Ablehnung des ersten Prozesskostenhilfeantrages des Klägers durch das Sozialgericht mit Beschluss vom 11. August 2016 wegen Nichtvorlage der erforderlichen Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Daraufhin hat der Beschwerdeführer als Prozessbevollmächtigter des Klägers für diesen mit Schriftsatz vom 22. August 2016 - nunmehr unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen - Prozesskostenhilfe beantragt. Aufgrund dieser Sondersituation war es ausgeschlossen, die Tätigkeit des Beschwerdeführers bereits ab Einreichung der Klage am 2. September 2015 zu berücksichtigen. Damit greift die Vorschrift des § 48 Abs. 4 Satz 1 RVG, welche bei Erteilung des Auftrages zur Durchführung des Klageverfahrens ab dem 1. August 2013 anwendbar ist. Es liegt daher eine Ausnahme von dem Grundsatz vor, dass im Rahmen der Bestimmung der Gebührenhöhe für den Prozessbevollmächtigten grundsätzlich der gesamte Arbeits- und Zeitaufwand auch vor dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Beiordnung in die Beurteilung einzubeziehen ist. Hier gilt deshalb etwas anderes, weil das Sozialgericht mit unanfechtbarem Beschluss den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zunächst abgelehnt hatte. Dies führte zur Erledigung des Antrags auf Bewilligung von PKH. Zwar ist eine Wiederholung des PKH-Antrages jederzeit möglich. Dies hat jedoch zur Konsequenz, dass nach § 48 Abs. 4 Satz 1 RVG in der ab dem 1. August 2013 geltenden Fassung der vom Gericht in seinem Bewilligungsbeschluss bestimmte andere Zeitpunkt maßgebend ist. Das ist hier der vom Sozialgericht ausdrücklich bestimmte Zeitpunkt der 22. August 2016. Vor diesem Zeitpunkt gefertigte Schriftsätze haben daher hinsichtlich des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit außen vor zu bleiben. Nach dem 22. August 2016 hat der Beschwerdeführer nur einen Schriftsatz am 7. September 2016 gefertigt, in dem er insbesondere vorgetragen hat, dass der Kläger den Meldetermin schon deswegen nicht wahrnehmen konnte, weil ihm das Geld für die Fahrkarte gefehlt habe.

Von der Verfahrensgebühr ist nach Nr. 2302 VV-RVG die Hälfte der von der Beklagten gezahlten Geschäftsgebühr, also ein Betrag von 50,00 EUR abzuziehen. Des Weiteren verbleibt es beim Abzug der Beratungshilfegebühr i. H. v. 35,00 EUR nach Nr. 2503 Abs. 2 VV-RVG. Danach ist die im Rahmen der Beratungshilfe ausgezahlte Geschäftsgebühr i. H. v. 85,00 EUR zur Hälfte auf die Gebühren für ein anschließendes gerichtliches Verfahren anzurechnen. Von daher hätte eigentlich ein Betrag i. H. v. 42,50 EUR in Abzug gebracht werden müssen. Nach den Grundsätzen der Reformatio in peius kann dies jedoch mangels Einlegung einer Anschlussbeschwerde im Beschwerdeverfahren nicht nachgeholt werden.

Die Höhe der festgesetzten Terminsgebühr ist nicht zu beanstanden.

Es verbleibt daher bei der Festsetzung der Vergütung auf 481,95 EUR.

Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S. 2 und 3 RVG).

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI13880564

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