Entscheidungsstichwort (Thema)

Beiordnung eines auswärtigen Anwalts

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ohne tatsächlich oder konkludent erteilte Zustimmung des im Wege der Prozesskostenhilfe beizuordnenden auswärtigen Anwalts ist eine nur eingeschränkte Beiordnung „zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts” oder „unter Ausschluss der Erstattungsfähigkeit von Tage- und Abwesenheitsgeldern sowie etwaiger Reisekosten vom Ort der Kanzlei zum Gerichtsort (auch Ort des Gerichtstages)” unzulässig.

2. Der Richter hat vor seiner Beiordnungsentscheidung gem. § 139 ZPO sein Fragerecht dahin auszuüben, ob der Wahlanwalt mit einer eingeschränkten Beiordnung einverstanden ist oder nicht.

Bejaht der Anwalt die Frage, kann die Beiordnung zu den eingeschränkten Bedingungen mit Bindungswirkung für das Festsetzungsverfahren nach § 121 ff. BRAGO erfolgen.

Verneint er die Frage, muss eine Beiordnung angesichts der gesetzlichen Regelung in § 121 Abs. 2 Satz 2 ZPO grundsätzlich abgelehnt werden.

3. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 121 Abs. 3 ZPO kann die Entstehung von „Mehrkosten” i. S. des § 121 Abs. 2 S. 2 ZPO dadurch vermieden werden, dass dem beigeordneten Anwalt die Erstattung der Reisekosten in Höhe der „fiktiven” Kosten eines Verkehrsanwaltes zugebilligt wird.

 

Normenkette

ZPO § 121; BRAGO § 121 ff.

 

Verfahrensgang

ArbG Gera (Beschluss vom 04.06.1997; Aktenzeichen 4 Ca 1328/97)

 

Tenor

wird der PKH-Bewilligungsbeschluss des Arbeitsgerichts Gera vom 04.06.1997 – 4 Ca 1328/97 – teilweise abgeändert.

Dem Kläger wird mit Wirkung ab dem 17.04.1997 zur Wahrnehmung seiner Rechte vor dem Arbeitsgericht ausschließlich der Zwangsvollstreckung Frau Rechtsanwältin M. S., H. beigeordnet, und zwar mit der Maßgabe, dass Reisekosten höchstens bis zur Höhe der (fiktiven) Kosten erstattet werden, die bei zusätzlicher Beiordnung eines Verkehrsanwaltes angefallen wären.

 

Tatbestand

I

Mit der zugrundeliegenden Drittschuldnerklage begehrt der bei Einreichung der Klage noch in der Justizvollzugsanstalt U. einsitzende Kläger die Zahlung von gepfändeten und zur Einziehung überwiesenen Lohnansprüchen seines als Geschäftsführer der Beklagten tätigen Vaters gegen die Beklagte, die ihren Sitz in S. hat.

Mit Antrag vom 15.04.1997 beantragte er die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten, die ihren Kanzleisitz in H. hat.

Mit Beschluss vom 04.06.1997 wurde dem Kläger Prozesskostenhilfe mit Wirkung ab 17.04.1997 ohne Ratenzahlung bewirkt und seine Prozessbevollmächtigte beigeordnet, allerdings unter Ausschluss der Erstattungsfähigkeit von Tage- und Abwesenheitsgeldern sowie etwaiger Reisekosten vom Ort der Kanzlei zum Gerichtsort (auch Ort des Gerichtstages).

Gegen diesen Beschluss legte die Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 09.06.1997 Beschwerde ein, soweit sich der Beschluss darauf beschränkt, dass die Beiordnung nur zu den Bedingungen eines am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwaltes bewilligt wurde.

Zur Begründung trägt sie vor, der Kläger sei von ihrem Büro sowohl in der Strafsache wie auch im Rahmen des Strafvollzugs wie auch in seinen Unterhaltsangelegenheiten vertreten worden. Ihm könne deshalb nicht zugemutet werden, einen Anwalt aufzusuchen, der am Gerichtsort ansässig sei. Die Beauftragung eines solchen Anwalts sei ihm aus der Haftanstalt heraus auch unmöglich gewesen.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde mit Begründung nicht abgeholfen und sie dem Beschwerdegericht vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die zulässige Beschwerde ist im Wesentlichen begründet, weil das Arbeitsgericht zu Unrecht die Beiordnung der Beschwerdeführerin mit der angegriffenen eingeschränkten Maßgabe vorgenommen hat.

1.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie als Beschwerde des beigeordneten Rechtsanwalts gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthaft.

Denn durch die nur eingeschränkte Beiordnung wird der beigeordnete Rechtsanwalt selbst in seinen eigenen Rechten verletzt, da der Bewilligungsbeschluss gem. § 122 Abs. 1 BRAGO maßgebend für den Umfang des Vergütungsanspruchs des beigeordneten Rechtsanwaltes ist und da er bei einer nur eingeschränkten Beiordnung Gefahr läuft, im Rahmen des Festsetzungsverfahrens keine Erstattung seiner Auslagen entsprechend der Regelung in § 126 BRAGO zu erhalten (vgl. ebenso Zöller-Philippi ZPO 19. Aufl. § 127 Rz. 37; LAG Rheinland-Pfalz Beschluss vom 18.10.1985 – 1 Ta 218/85 – LAGE § 121 ZPO Entscheidung 2; LAG Bremen Beschluss vom 11.05.1988 – 1 Ta 9/88 – LAGE § 121 ZPO Entscheidung 3; anderer Auffassung wohl OLG Düsseldorf Beschluss vom 23.02.1993 – 3 WF 13/93 – Rechtspfleger 93, 351, 352).

2.

Die Beschwerde ist auch im Wesentlichen begründet, weil ohne Einverständnis des von der Partei gewählten Rechtsanwalts eine solche einschränkende Beiordnung nicht zulässig ist.

Nach § 121 Abs. 2 S. 2 ZPO kann allerdings ein beim Prozessgericht nicht zugelassener Anwalt nur dann beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen.

Diese Vorschrift ist zwar bei den Gerichten für Arbeits...

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