Rz. 430

Die Vollstreckung aus Titeln, durch die dem Schuldner die Verpflichtung auferlegt wurde, bestimmte Handlungen zu unterlassen (z. B. Hundehaltung, Lärmbeeinträchtigungen, Modernisierungsarbeiten) oder die Vornahme bestimmter Handlungen zu dulden (z. B. Betreten der Wohnung zum Zweck der Modernisierung), geschieht durch Festsetzung von Ordnungsgeld bzw. Ordnungshaft durch das Prozessgericht des ersten Rechtszugs. Das Prozessgericht ist in diesem Fall ausnahmsweise auch Vollstreckungsorgan. Als Titel mit einem derartigen Inhalt kommen Urteile, einstweilige Verfügungen (Beschluss oder Urteil) sowie Prozessvergleiche in Betracht. Derartige Unterlassungs- und Duldungsverpflichtungen finden sich häufig im Mietrecht.

 

Rz. 431

Das Unterlassen bedeutet in erster Linie passives Verhalten (Prütting/Gehrlein, § 890 ZPO Rn. 4). Z.B. die im gerichtlichen Vergleich übernommene Verpflichtung, Musik nur in Zimmerlautstärke zu hören (LG Hamburg, Beschluss v. 12.7.1995, 317 T 48/95, WuM 1996, 159). Unterlassen umfasst aber auch die Beseitigung des beeinträchtigenden Zustandes durch aktives Verhalten des Schuldners (BGH, Urteil v. 11.4.2003, V ZR 323/02, GE 2003, 1149 = NJW-RR 2003, 1235, 1236). Daher umfasst die Verurteilung der Unterlassung der Hundehaltung auch das Abschaffen des Hundes und die Verurteilung zur Unterlassung von ruhestörendem Lärm auch die Regulierung von Fernsehern und Musikwiedergabegeräten auf eine geringere Lautstärke.

 

Rz. 432

Dulden bedeutet die Hinnahme einer Handlung, die ein anderer im Einflussbereich des Schuldners vornehmen will, wozu auch eine Handlung des Duldungspflichtigen im Einzelfall notwendig sein kann. Dazu gehört die Duldungspflicht aus § 555a Abs. 1 und § 555d Abs. 1 (Koch in Mietprozess, 12. Kap. Rn. 72), die auch das Öffnen der Wohnungstür umfassen. Die Duldungspflicht für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen umfasst keine Mitwirkungspflicht des Mieters (vgl. § 555d Rn. 2). Unstreitig ist der Mieter verpflichtet, dem Vermieter und den von diesem Beauftragten nach vorheriger Absprache den Zugang zu seiner Wohnung zur Planung und Durchführung der Arbeiten zu gewähren (Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 555d Rn. 17; AG Berlin-Schöneberg, Urteil v. 3.4.1987, 15 C 96/87, GE 1987, 629); der Vermieter braucht sich nicht auf gleich geschnittene Wohnungen im Hause verweisen zu lassen (AG Berlin-Schöneberg, a.a.O.). Der Mieter ist im Rahmen seiner Duldungspflicht nach der hier vertretenen Auffassung nicht verpflichtet, Möbel beiseite zu rücken oder auszuräumen und die Durchführung der Arbeiten zu ermöglichen (vgl. § 555d Rn. 2). Eine etwaige Mitwirkungspflicht müsste ausdrücklich tituliert sein, damit der Mieter den Umfang seiner Duldungspflicht zuverlässig erkennen kann.

 

Rz. 433

Auch die Verpflichtung des Mieters, dem Vermieter Zutritt zu den Räumen zu gewähren, um sie mit Mietinteressenten zu besichtigen, dürfte als Duldungsverpflichtung in diesem Sinne anzusehen sein (a. A. Koch in Mietprozessrecht, 12. Kap. Rn. 69). Die mietvertraglich begründete Pflicht des Mieters von Geschäftsräumen, darin das ausgeübte Gewerbe innerhalb der Ladenöffnungszeiten während der Mietzeit zu betreiben, kann auch nach § 890 ZPO durchgesetzt werden (nur ausnahmsweise: OLG Düsseldorf, Beschluss v. 17.8.2000, 24 W 49/00, NJW-RR 1997, 648).

 

Rz. 434

Voraussetzung der Festsetzung eines Ordnungsgeldes bzw. der Ordnungshaft sind zunächst die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen (Titel, Klausel, Zustellung).

 

Rz. 435

 
Hinweis

Materielle Richtigkeit

Die materielle Richtigkeit der erteilten Vollstreckungsklausel ist grundsätzlich nicht zur Überprüfung des Vollstreckungsgerichts gestellt.

Seiner Nachprüfung unterliegt es nur, ob eine Klausel vorhanden ist und ob sie ordnungsgemäß erteilt wurde, nicht hingegen, ob sie erteilt werden durfte (BGH, Beschluss v. 23.5.2012, VII ZB 31/11, GE 2012, 1166 im Anschluss an BGH, Beschluss v. 12.1. 2012, VII ZB 71/09, MDR 2012, 367). In dem Titel müssen gem. § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Personen, für und gegen die die Zwangsvollstreckung stattfinden soll, namentlich genau bezeichnet sein. Der Titel muss seinem Inhalt nach so bestimmt sein, dass eine Vollstreckung aus ihm in Betracht kommt. In dem Titel zur Duldung des Einbaus einer Gasetagenheizung muss der genaue horizontale und vertikale Verlauf der Rohrleitungen angegeben werden, wobei eine genaue und nachvollziehbare Bauzeichnung mit herangezogen werden kann (vgl. dazu KG, Beschluss v. 5.8.2004, 8 W 48/04, GE 2004, 1231). Die in einem Vergleich übernommene Verpflichtung, Musik nur in Zimmerlautstärke zu hören, ist hinreichend bestimmt, um als Grundlage der Zwangsvollstreckung zu dienen (LG Hamburg, GE 1996, 159; Beuermann, GE 2012, 299, a. A. – zu Unrecht LG Berlin, Beschluss v. 1.1.2012, 67 T 277/11, GE 2012, 341). Eine Höchstgrenze in Dezibel braucht nicht festgelegt zu werden (LG Hamburg, a. a. O.; OLG Köln, Urteil v. 7.6.1993, 12 U 40/93, VersR 1993, 1242 – zu Hundegebell).

 

Rz. 436

Weitere Voraussetzung für die Festsetzung e...

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