Leitsatz

Die Übertragung der Streupflicht durch den Vermieter auf einen Dritten dient auch der Sicherung des Zugangs zum Mietobjekt. Die dort wohnhaften Mieter können deshalb in den Schutzbereich des Übertragungsvertrags einbezogen sein. Die deliktische Einstandspflicht des mit der Wahrnehmung der Verkehrssicherung Beauftragten besteht auch dann, wenn der Vertrag mit dem Primärverkehrssicherungspflichtigen nicht rechtswirksam zustande gekommen ist. Der Mieter verlangt Schadensersatz und Schmerzensgeld für die Folgen eines durch Eisglätte verursachten Sturzes im Eingangsbereich des von ihm bewohnten Hauses. Die Stadt hatte die ihr obliegende Räum- und Streupflicht auf die Hauseigentümer übertragen. Der Eigentümer hatte sie seinerseits seit über zehn Jahren auf das inzwischen insolvente Reinigungsunternehmen übertragen. Die nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften erforderliche Anzeige der Übertragung gegenüber der zuständigen Behörde fehlte für das betreffende Jahr aber. Der BGH entscheidet, dass die Reinigungsfirma unmittelbar haftet. Nach ständiger BGH-Rechtsprechung können Verkehrssicherungspflichten mit der Folge eigener Entlastung delegiert werden mit der Folge, dass der ursprünglich Verantwortliche dann nur noch Kontroll- und Überwachungspflichten ausüben muss. Wer die Verkehrssicherungspflicht übernimmt, haftet nunmehr selbst. Voraussetzung hierfür ist, dass die Übertragung klar und eindeutig vereinbart wird. Für die Wirksamkeit der Übertragung ist nicht erforderlich, dass die nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften erforderliche Anzeige der Übertragung gegenüber der zuständigen Behörde erfolgt ist. Die deliktische Einstandspflicht des mit der Wahrnehmung der Verkehrssicherung Beauftragten besteht auch dann, wenn der Vertrag mit dem primär Verkehrssicherungspflichtigen - hier der Stadt - nicht rechtswirksam zustande gekommen ist. Entscheidend ist, dass der in die Verkehrssicherungspflicht Eintretende faktisch die Verkehrssicherung für den Gefahrenbereich übernimmt und im Hinblick hierauf Schutzvorkehrungen durch den primär Verkehrssicherungspflichtigen unterbleiben, weil sich dieser auf das Tätigwerden des Beauftragten verlässt. Der Schutzbereich des Vertrags dient vor allem dem Schutz der Mieter. Die Reinigungsfirma haftet also dem Mieter gegenüber unmittelbar.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 22.01.2008, VI ZR 126/07

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