Leitsatz

Das Kopfstimmprinzip nach § 25 Abs. 2 WEG ist auch im Sachbereich des § 16 Abs. 3 WEG abdingbar.

 

Normenkette

§§ 10 Abs. 2 Satz 2, 16 Abs. 3, 25 Abs. 2 WEG

 

Das Problem

  1. Nach § 9 Nr. 1 der Gemeinschaftsordnung (GO) werden die Kosten und Lasten nach Miteigentumsanteilen aufgeteilt. Beschlussfähig ist die Versammlung, wenn 2 der 3 Wohnungseigentümer anwesend oder durch den Verwalter oder eine Person ihres Vertrauens mit schriftlicher Vollmacht vertreten sind; jede Wohnungseinheit gewährt eine Stimme (Objektprinzip).
  2. Auf der Versammlung vom 22. April 2013 ist Wohnungseigentümer K persönlich zugegen. Wohnungseigentümer B, dem die anderen beiden Einheiten gehören, lässt sich vom Verwalter vertreten. Die Wohnungseigentümer beschließen gegen die Stimme des K, den Umlageschlüssel für die Treppenhausreinigung, die Müllabfuhr und "Wasser allgemein" künftig nach Wohneinheiten umzulegen. Gegen diese Änderung wendet sich K. Innerhalb der 2-monatigen Begründungsfrist wendet er ein, eine Mehrheit für die Annahme der Beschlüsse sei nicht zustande gekommen, weil B nach § 25 Abs. 2 WEG zwingend nur eine Stimme zugestanden habe. Später macht K dann (auch) geltend, die Beschlüsse seien unbestimmt, weil unklar bleibe, ab welchem Zeitpunkt die Änderung gelten soll. Davon abgesehen entspreche die Änderung nicht billigem Ermessen. Dagegen richtet sich die Revision.
 

Die Entscheidung

  1. Ohne Erfolg! Der Verwalter habe zu Recht eine Stimmenmehrheit angenommen. Das nach § 25 Abs. 2 Satz 1, Abs. 2 WEG angeordnete Kopfprinzip sei durch die in Gemeinschaftsordnung wirksam abbedungen worden.
  2. Allerdings sei umstritten, ob die grundsätzlich gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 WEG gegebene Abdingbarkeit des Kopfprinzips auch im Sachbereich des § 16 Abs. 3 WEG "Geltung beanspruche". Während dies überwiegend angenommen werde (Hinweis unter anderem auf Elzer/Abramenko, in: Riecke/Schmid, WEG, 4. Aufl. 2015, § 16 Rn. 77 und Hügel/Elzer, NZM 2009, S. 457, 463), entnehme die Gegenauffassung der Vorschrift – teils im Zusammenspiel mit § 16 Abs. 5 WEG – eine zwingende Festschreibung des Kopfprinzips (so etwa Becker, in Bärmann, WEG, 12. Aufl. 2013, § 16 Rn. 113 und 149 und Häublein, ZfIR 2012, S. 249, 250).
  3. Richtig sei die erste Auffassung. Schon ihrem sprachlichen Sinngehalt nach ("durch Stimmenmehrheit") ordne die Norm lediglich die Geltung des Mehrheitsprinzips an; nicht aber erstrecke sich der Regelungsgehalt auf die Kriterien, nach denen die Mehrheit zu bestimmen sei (Kopf-, Objekt-, Anteilsprinzip etc.). Die Frage der Stimmkraft beantworte das Gesetz an anderer Stelle, nämlich mit der dispositiven Bestimmung des § 25 Abs. 2 WEG. Zwingende Vorgaben zur Stimmkraft pflege das Gesetz – wie ein systematischer Seitenblick auf die Regelungen des § 16 Abs. 4 und des § 22 Abs. 2 WEG ohne Weiteres erhelle – eigens hervorzuheben. Dementsprechend sei den Gesetzesmaterialien kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass mit der Bestimmung des § 16 Abs. 3 WEG auch eine Regelung der Stimmkraft habe getroffen werden sollen. Die Erwägung der Gegenauffassung, nur durch eine strikte Geltung des Kopfprinzips könne der Gefahr der Majorisierung wirksam begegnet werden, trage schon deshalb nicht, weil dieser Einwand nicht nur den Sachbereich des § 16 Abs. 3 WEG betreffe, sondern sich gegen jedwede Mehrheitsentscheidung richte, die nach dem Objekt- oder Anteilsprinzip getroffen werde.
 

Kommentar

Anmerkung

Der Bundesgerichtshof klärt – mittelbar auch für §§ 12 Abs. 4 Satz 1, 22 Abs. 2 Satz 2 WEG! – den Streit, ob die Wohnungseigentümer für den Beschluss nach § 16 Abs. 3 WEG ein anderes Stimmrechtsprinzip vereinbaren können. Diese Frage wurde zwar auch bislang überwiegend bejaht. Eine – für die Praxis jetzt überholte – Gegenauffassung verneinte sie aber auch. Auch die danebenliegende Überlegung – auch meine (Elzer/Abramenko, in Riecke/Schmid, WEG, 4. Aufl. 2015, § 16 Rn. 55b) –, das Objektprinzip sei nicht anwendbar, wenn nach dem Kopfprinzip eine Mehrheit erreicht ist, nach dem Objektprinzip aber nicht, hat sich damit wohl erledigt.

Was ist für den Verwalter wichtig?

Neben dem gesetzlichen Kopfstimmprinzip sind häufig das Objektprinzip (ein Wohnungseigentumsrecht vermittelt eine Stimme) oder das Wertprinzip (Stimmrecht nach Größe der Miteigentumsanteile) vereinbart. Spätestens jetzt steht fest, dass solche Vereinbarungen nicht gegen das Gesetz verstoßen und wirksam sind. Die vom gesetzlichen Kopfstimmprinzip abweichenden Prinzipien gelten auch bei der Wahl einer Person zum Verwalter.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil v. 10.7.2015, V ZR 198/14

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