Leitsatz

  1. "Stecken gebliebener Bau" (hier: Hotelappartement-Anlage und Konkurs des Bauträgers vor Fertigstellung)
  2. Fertigstellungs-Mehrheitsbeschluss der Eigentümer bei weitgehender Herstellung der Wohnanlage (hier: jedenfalls zu deutlich mehr als der Hälfte ihres endgültigen Werts)
  3. Gültige Sonderumlagebeschlüsse bei Angabe des Gesamtbetrags und des Verteilungsmaßstabs, sofern der jeweilige Einzelbetrag ohne weiteres errechnet werden kann
  4. Vom Gesetz abweichend beschlossener Verzugszins für Wohngeldschulden ist nichtig
  5. Für vor dem 1.12.2000 fällig gewordene Zinsen bleibt es beim früheren gesetzlichen Verzugszins von 4 %
 

Normenkette

(§§ 16 Abs. 2, , 21 Abs. 3, , 22 Abs. 2, , 28 WEG; , § 288 BGB a.F.)

 

Kommentar

  1. Die Antragsgegner wurden 1998 zu je ½ Eigentümer eines Appartements in einer als Wohnungseigentum errichteten Hotelanlage. Der Bauträger des Projekts geriet vor Fertigstellung in Konkurs; die Erwerber der einzelnen Appartements führten in ihrer Mehrheit die Bauarbeiten zu Ende und nahmen dazu einen Kredit auf. In Eigentümerversammlungen von 1999 wurden Sonderumlagebeschlüsse gefasst und zwar zur Ablösung eines aufgenommenen Darlehens, zur Finanzierung zusätzlicher/nachträglicher Aufwendungen für die Erwerbergemeinschaft und zur Finanzierung der Verwaltungskosten. Vom entsprechend beschlussermächtigten Verwalter wurden die Antragsgegner verpflichtet, an die Eigentümer zu Händen der Verwaltung DM 14.677,65 nebst 8 % Zinsen hieraus seit dem 01.02.2000 zu bezahlen.
  2. Die Anspruchsgrundlage für die Berechtigung der Hauptsacheforderung gegen die Antragsgegner ergibt sich aus § 16 Abs. 2 WEG i.V.m. § 28 Abs. 2 WEG und den entsprechenden Eigentümerbeschlüssen über die Sonderumlagen. Insoweit wurde eine Pflicht zur Vorschusszahlung für alle Wohnungseigentümer begründet. Die jeweils einzelnen Teilbeträge der beschlossenen Sonderumlage waren hier ausnahmsweise durch einfache Rechenoperation zu ermitteln (vgl. BayObLG, WuM 1997, 61; NZM 1998, 337; ebenso KG, NJW-RR 1991, 912 und WuM 2002, 565). Die Sonderumlage-Beschlüsse wurden auch bestandskräftig, sodass Einwendungen gegen die Höhe der Sonderumlage nicht mehr zu berücksichtigen waren.

    Auch der den Sonderumlagebeschlüssen zugrunde liegende Eigentümerbeschluss, den unvollendeten Bau fertig zu stellen, wurde bestandskräftig und erzeugte Bindungswirkung gegenüber den Antragsgegnern nach § 10 Abs. 3 WEG, auch wenn die Antragsgegner damals noch nicht Eigentümer gewesen sein sollten; denn sie sind als Sondernachfolger des Bauträgers daran gebunden. Der seinerzeitige Beschluss fällt auch unter Heranziehung des Rechtsgedankens des § 22 Abs. 2 WEG in die Beschlusszuständigkeit der Eigentümer und kann deshalb nach § 21 Abs. 3 WEG mit Mehrheit gefasst werden, wenn die Wohnanlage – wie hier – weitgehend, jedenfalls zu deutlich mehr als der Hälfte ihres endgültigen Werts hergestellt ist (vgl. OLG Frankfurt, WuM 1994, 36; BayObLG, WuM 1998, 556 (567); Niedenführ/Schulze, WEG, 6. Aufl. § 22 Rn. 56). Ob ein solcher Eigentümerbeschluss im Einzelfall ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, ist eine andere Frage, die hier im Hinblick auf die Bestandskraft nicht zu entscheiden ist.

  3. Was die Höhe des Zinssatzes betrifft (mit 8 % Verzugszinsen für Wohngeldschulden), wurde damals ein Beschluss gefasst, der von § 288 BGB in der damals geltenden Fassung abwich. Hierfür fehlte den Eigentümern die Beschlusskompetenz, sodass der Beschluss nichtig ist (vgl. BGH, NJW 2000, 3500/3501). Die Antragsgegner schulden demnach nur die gesetzlichen Verzugszinsen in damals geltender Gesetzesfassung. Daran hat das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom 30.3.2000 nichts geändert, weil nach Art. 229 § 1 Abs. 1 S. 3 EGBGB auf Forderungen, die vor dem 1.5.2000 fällig geworden sind, § 288 BGB in der bisherigen Fassung anwendbar bleibt.
  4. Auch außergerichtliche Kostenerstattung im Rechtsbeschwerdeverfahren bei Geschäftswert dieser Instanz von 7.505 EUR.
 

Link zur Entscheidung

(BayObLG, Beschluss vom 20.11.2002, 2Z BR 144/01)

Anmerkung

Ohne Frage sind Eigentümer an bestandskräftige Beschlüsse, hier also die Sonderumlagebeschlüsse gem. § 10 Abs. 3 WEG gebunden. Voraussetzung ist jedoch, dass es sich bereits um Eigentümerbeschlüsse im Sinne des WEG handelt.

Wenn der Senat nun auch von einer Bestandskraft und Bindungswirkung eines zugrunde liegenden Eigentümerbeschlusses ausging, einen unvollendeten Bau fertig zu stellen, hätte m. E. im Rahmen der ebenfalls zu diesem Beschluss in der Senatsentscheidung erwähnten Bestandskraft und Bindungswirkung überprüft werden müssen, ob zum damaligen Zeitpunkt der Beschlussfassung bereits von einer zumindest entstandenen faktischen Wohnungseigentümergemeinschaft auszugehen war (unter Berücksichtigung der Entstehungsvoraussetzungen einer solchen faktischen Gemeinschaft). Befand sich nach Konkurs des Bauträgers die Gemeinschaft noch im Sinne einer Bauherren- oder Erwerbergemeinschaft im Vorstadium der faktischen Gemeinschaft, konnten m. E. zumindest keine bindenden Beschlüsse im Si...

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