Leitsatz

  1. Spielhallenbetrieb mit Geldspielautomaten und Internetcafé mit vereinbarter Zweckbestimmung dieses Teileigentums als Gaststätte/Imbiss in typisierender Einzelfallbetrachtung konkret vor Ort unzulässig
  2. Kriterien für zulässige oder zweckwidrige Nutzung: Art und Durchführung des Betriebs; mit der Nutzung verbundene Folgen (u.a. Besucherfrequenz, Art der Besucher, Begleitkriminalität); örtliche Gegebenheiten (etwa Umfeld, prägender Charakter der Anlage, Lage im Gebäude, Öffnungszeiten)
  3. Laut kriminologischem Sachverständigengutachten ist insb. an "sensiblen Standorten" (wie etwa in allgemeinem Wohngebiet) in einer Spielhalle intensive Kriminalitätsbelastung zu erwarten und mit Beeinträchtigung des Sicherheitsgefühls der Anwohner zu rechnen
 

Normenkette

§§ 13, 14, 15 WEG; § 1004 BGB

 

Kommentar

  1. Zum Sachverhalt

    In der Teilungserklärung einer Wohnungseigentümergemeinschaft sind die benachbart gelegenen Teileigentumseinheiten als Restaurant und Imbissraum bezeichnet. Sie befinden sich neben anderen Geschäften im EG in einem Hochhaus mit Appartements in 20 Geschossen. Die Anlage befindet sich in einem allgemeinen Wohngebiet mit Schule, Kindergarten, Kirche und diversen Geschäften im näheren Umfeld. Ein öffentlich-rechtliches Nutzungsänderungsverfahren der Beklagten ist noch in der Berufungsinstanz beim BayVGH rechtshängig. Die restlichen Eigentümer führten beschlussgemäß gegen die Beklagte ein Nutzungsunterlassungsverfahren hinsichtlich der bereits von ihr vorgenommenen Verpachtung ihrer Einheiten zum Betrieb einer Spielhalle mit Internetcafé, da sie eine entsprechende Wertminderung ihrer eigenen Sondereigentumseinheiten und auch eine erhöhte Kriminalität befürchteten. Das Amtsgericht hatte der Unterlassungsklage stattgegeben; nach Erholung eines kriminologischen Sachverständigengutachtens wurde nun auch vom Landgericht rechtskräftig die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

  2. Aus den Gründen

    2.1 Der Abwehranspruch auf Unterlassung der beabsichtigten Nutzung durch die Beklagte oder einen Dritten ergibt sich aus § 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. § 15 Abs. 3 WEG (vgl. u.a. Spielbauer/Then, § 15 Rn. 18). Eine solche Nutzung widerspricht grundsätzlich den in der Teilungserklärung getroffenen Vereinbarungen im Sinne einer Betriebsberechtigung der beklagten Teileigentümerin als Restaurant und Imbissraum. Insoweit handelt es sich nicht um unverbindliche Nutzungsvorschläge, sondern um konkrete Zweckbestimmungen mit Vereinbarungscharakter (h.M.). Insoweit wurden die Räumlichkeiten nicht allein als "Gewerberäume" bezeichnet. Die vereinbarte Zweckbestimmung schränkt hier die Nutzung eines Sondereigentums nach den gesetzlichen Vorgaben in §§ 13 Abs. 1 und 14 Nr. 1 WEG entsprechend ein. Nach Auslegungsgrundsätzen von Grundbucheintragungen entsprechend Wortlaut und Sinn, wie sich dieser für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt, handelt es sich bei einem Restaurant um einen Gaststättenbetrieb, der in erster Linie warme Speisen anbietet und hieraus auch seine wesentlichen Umsätze generiert; bei einem Imbissraum liegt i. Ü. nach allgemeinem Sprachverständnis der Schwerpunkt im Verzehr kleinerer Speisen und Getränke. Eine "Spielhalle" wird demgegenüber dadurch charakterisiert, dass sie ihre Gewinne durch die entgeltliche Nutzung von Spielautomaten erzielt, ein Internetcafé dadurch, dass dort den Kunden neben kleineren Speisen und Getränken der entgeltliche Zugang zum Internet angeboten wird. Die beabsichtigte Nutzung der Beklagten entspricht hier nicht mehr der vereinbarten Zweckbestimmung.
    2.2

    Aus Gründen des Art. 14 GG und § 13 Abs. 1 WEG kann eine Nutzung entgegen der im Grundbuch eingetragenen Zweckbestimmung dann allerdings zulässig sein, wenn sie bei typisierender Betrachtung generell nicht mehr stören oder beeinträchtigen kann als eine der Zweckbestimmung entsprechende Nutzung (h.M.). Bei diesen Überlegungen ist auf den konkreten Einzelfall abzustellen, also den beabsichtigten (vereinbarungswidrigen) Gebrauch nach seiner Art und Durchführung sowie der damit verbundenen Folgen (z.B. die zu erwartende Besucherfrequenz, Besucherstrukturen, Begleitkriminalität). Entscheidend kommt es auch auf die örtlichen Gegebenheiten an, wie etwa das Umfeld, den Charakter der Anlage und die diesen prägenden Verhältnisse sowie die Lage im Gebäude, zuletzt auch auf die Öffnungszeiten. Vorliegend ist von einer verstärkten Störung und Beeinträchtigung bei einem Spielhallenbetrieb gegenüber dem eines Restaurants auszugehen, wie dies über gerichtlichen Beweisbeschluss ein kriminologisches Sachverständigengutachten eindeutig und unangreifbar (nachvollziehbar, überzeugend und zweifelsfrei) ergeben hat.

    (In der Gerichtsentscheidung werden hier die wesentlichen Ergebnisse des Sachverständigen wiedergegeben, der sich auch auf eine repräsentative Studie zum Spielerverhalten in solchen Spielhallen aus dem Jahr 2006 berufen hat; Besucherprozentzahlen wurden hier auch in Relation zu Umsatzprozentzahlen gesetzt, dabei zwisch...

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