Leitsatz

Die Gesellschafter einer KGaA hatten eine Barkapitalerhöhung beschlossen und die übernommenen Einlagen auf ein gesondertes Bankkonto "Kapitalerhöhung" der Gesellschaft eingezahlt. Daneben wurden Einzahlungen als "sonstige Zuzahlung in das Eigenkapital gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB" vereinbart und auf ein anderes Bankkonto "Übergangsgeld" erbracht. Wie vorab verabredet, verwendete die Gesellschaft die sonstige Zuzahlung zur Tilgung von Verbindlichkeiten, die gegenüber einer Tochtergesellschaft eines Gesellschafters bestanden.

Der Insolvenzverwalter der Gesellschaft begehrte von dem Gesellschafter die nochmalige Erbringung der übernommenen Bareinlage.

Der BGH hat die klageabweisenden Entscheidungen des LG und OLG München (7 U 1857/06) mit äußerst knappen Worten gebilligt. Danach sind die Kapitalschutzvorschriften nicht berührt, wenn von einer freiwilligen Zuzahlung, die auf ein von der Grundkapitaleinlage gesondertes Bankkonto gezahlt wurde, Schulden der Gesellschaft getilgt werden.

 

Hinweis

Die Entscheidungen des BGH und des OLG München sind im Ergebnis zu begrüßen, stellen sie doch zweierlei klar:

  1. Die Gesellschafter von Kapitalgesellschaften (insbesondere von AGs) können schuldrechtlich eine sonstige Zuzahlung in das Eigenkapital gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB beschließen. Sie sind nicht gezwungen, ein echtes Agio (das bei der AG dem erweiterten Kapitalschutz des § 150 AktG unterliegt) zu vereinbaren.
  2. Die sonstige Zuzahlung in das Eigenkapital gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB unterliegt nicht den Kapitalschutzvorschriften und kann an die Gesellschafter zurückgewährt werden.

Die Entscheidungen - und insbesondere die Begründung des BGH - sollten jedoch nicht dazu verleiten, die Kapitalaufbringungsvorschriften durch "Töpfchenbildung" erfüllen zu wollen - frei nach dem Motto: "Wenn ich die auf das Grundkapital (AG) / Stammkapital (GmbH) übernommene Einlage auf ein Sonderkonto "Kapital" einzahle und Rückzahlungen an mich von anderen Konten erfolgen, kann mir nichts passieren". Dem hat der BGH bereits in seiner Entscheidung vom 16.1.2006 (NJW 2006, 1736) im Zusammenhang mit einem Cash-Pooling-System eine klare Absage erteilt: Wird die im Rahmen einer Kapitalerhöhung übernommene Einlage auf ein Sonderkonto gezahlt, der Betrag absprachegemäß nach Eintragung der Kapitalerhöhung auf ein anderes Konto transferiert und im Rahmen des Cash-Pooling-Systems an den Gesellschafter zurückgezahlt, so hat dieser seine Einlageverpflichtung nicht erfüllt - im Insolvenzfall muss er die Bareinlage erneut erbringen. Auch das OLG München hat das im vorliegenden Fall noch einmal klargestellt (BB 2006, 2711, 2714).

Entscheidend im vorliegenden Fall war vielmehr, dass die übernommene Einlage erbracht, der Gesellschaft belassen und nicht zu Lasten der Gläubiger der Gesellschafter an den Gesellschafter zurückgezahlt wurde. Denn für die Begleichung der Verbindlichkeiten wurde nur die sonstige Zuzahlung genutzt und die hätte auch direkt an den Gesellschafter (zurück)gezahlt werden können. Zudem kam die Tilgung von Verbindlichkeiten der Gesellschaft mit Mitteln, die nicht den gläubigerschützenden Kapitalaufbringungs-/-erhaltungsvorschriften unterfallen, den Gläubigern zugute und schädigte sie nicht.

Vorsicht geboten ist auch im Hinblick auf andere, jüngste Entscheidungen des BGH (NJW 2007, 765; NJW 2007, 3425). In diesen Fällen waren Barkapitalerhöhungen durchgeführt worden. Die Einlagen sowie diese bei weitem übersteigende weitere Gelder (u.a. aus Bankdarlehen) nutzte die Gesellschaft, um - vereinbarungsgemäß - Sachvermögen (Warenlager bzw. Recycling-Anlage) von Gesellschaftern bzw. Tochtergesellschaften von Gesellschaftern zu erwerben. Der BGH hat diese Fälle ohne zu zögern als verdeckte Sacheinlagen eingestuft. Er stellte dabei lediglich darauf ab, dass der Gesellschaft bei wirtschaftlicher Betrachtung Sach- und nicht Barvermögen zugeführt wurde und die Bareinlage an Gesellschafter zurückgeflossen ist.

Das gleiche kann man auch annehmen, wenn die Gesellschaft mit sonstigen Zuzahlungen, die im Zusammenhang mit Kapitalmaßnahmen gewährt wurden, ein Unternehmen im Wege des Asset-Deals von einem Gesellschafter (bzw. einer Tochtergesellschaft eines Gesellschafters) erwirbt. Denn es gibt - im Unterschied zu der vorliegend besprochenen BGH-Entscheidung, bei der die beglichenen Forderungen der Höhe nach fest standen und von den sonstigen Zuzahlungen vollumfänglich gedeckt waren - keine Garantie dafür, dass der Wert des übernommenen Unternehmens nicht negativ ist und damit (trotz Zahlung des Kaufpreises aus den sonstigen Rücklagen) die Bareinlage (auf deren vollwertige Aufbringung die Gläubiger vertrauen dürfen) angegriffen wird. Einen wirksamen Gläubigerschutz bietet in einem solchen Fall nur die Einhaltung der Sachgründungsvorschriften, die u.a. einen Werthaltigkeitsnachweis für die übernommene Sacheinlage verlangen.

Alle Gesellschafter sollten es sich darüber hinaus zweimal überlegen, ob sie eine verdeckte Sacheinlage riskieren wollen, denn die Rechtsfolg...

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