Leitsatz

Die Zuweisung im gemeinschaftlichen Eigentum stehender Flächen an einzelne Wohnungseigentümer zur ausschließlichen Nutzung begründet auch dann ein Sondernutzungsrecht, wenn alle Wohnungseigentümer eine gleichwertige Fläche zur alleinigen Nutzung erhalten. Eine Regelung, die im Interesse eines geordneten Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums dessen turnusmäßige Nutzung durch einzelne Wohnungseigentümer vorsieht, führt dagegen grundsätzlich nicht zu einem (befristeten) Sondernutzungsrecht; sie kann daher durch (Mehrheits-)Beschluss getroffen werden.

Eine Vereinbarung kann durch eine gerichtliche Entscheidung nach § 21 Abs. 8 WEG ersetzt werden, wenn einem Wohnungseigentümer nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG ein Anspruch auf ihren Abschluss zusteht, die übrigen Wohnungseigentümer diesen nicht erfüllen und bei ihrer inhaltlichen Ausgestaltung Spielraum besteht.

 

Normenkette

WEG §§ 13 Abs. 2 Satz 1, 15 Abs. 3, 21 Abs. 8

 

Das Problem

  1. Eine Wohnungseigentumsanlage besteht aus 2 Wohnungseigentumsrechten. Nach der Gemeinschaftsordnung steht jedem Wohnungseigentumsrecht eine Stimme zu. Auf dem Grundstück ist ein Garten angelegt; Sondernutzungsrechte bestehen nicht. Der Garten wird überwiegend von Wohnungseigentümer B genutzt, der dort Brennholz lagert und Teilbereiche für sich allein beansprucht. Wohnungseigentümer K beantragt die Feststellung, dass B verpflichtet ist, ihm den Mitgebrauch des Gartens in der Weise zu gewähren, dass beiden Wohnungseigentümern eine gleichwertige Nutzung ermöglicht wird. Das Amtsgericht weist diese Klage ab.
  2. Mit seiner Berufung ändert K die Klage. Er erstrebt jetzt eine Nutzungsregelung für den Garten im Wege einer Beschlussersetzung. Das Landgericht gibt dieser Klage statt. Es regelt die Nutzung dahin gehend, dass K den Garten an geraden, B ihn an ungeraden Tagen nutzen darf. Mit der Revision will B die Abweisung des Antrags auf Beschlussersetzung erreichen.
 

Die Entscheidung

Die Revision hat Erfolg! Die Beschlussersetzungsklage sei zwar zulässig. Die Rotationsregelung könne auch Gegenstand einer Gebrauchsregelung sein. Die vom Landgericht konkret getroffene Rotationsregelung entspreche jedoch nicht billigem Ermessen im Sinne von § 15 Abs. 3 WEG.

 

Kommentar

Zulässigkeit der Beschlussersetzungsklage

  1. Die Beschlussersetzungsklage sei zulässig. K mache einen Anspruch auf interessengerechte Gebrauchsregelung nach § 15 Abs. 3 WEG geltend, der – sofern die Wohnungseigentümer über die verlangte Regelung durch Beschluss entscheiden könnten (§ 15 Abs. 2 WEG) – mit einer Beschlussersetzungsklage nach § 21 Abs. 8 WEG durchgesetzt werden könne. Für die Bestimmtheit des Klageantrags sei ausreichend, dass das Rechtsschutzziel hinreichend deutlich werde. Dies sei der Fall. K erstrebe eine möglichst gleichmäßige Nutzung des Gartens durch alle Wohnungseigentümer.
  2. Der vorherigen Befassung der Versammlung mit der Angelegenheit habe es nicht bedurft. Könne – wie hier im Hinblick auf die tiefgreifende Zerstrittenheit der Parteien und die Stimmengleichheit – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass ein dem Klageziel entsprechender Antrag in der Eigentümerversammlung nicht die erforderliche Mehrheit finden wird, sei die Vorbefassung der Versammlung ausnahmsweise entbehrlich.

Gegenstand einer Gebrauchsregelung

  1. Nach § 15 Abs. 3 WEG könne ein Wohnungseigentümer den Abschluss einer interessengerechten Gebrauchsregelung über die Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen, soweit sich, wie hier, aus Gesetz, Vereinbarungen oder Beschlüssen keine Regelung ergebe. Solche Gebrauchsregelungen könnten Bestimmungen zur Nutzungsart und -zweck enthalten. Möglich seien Nutzungsbeschränkungen bis hin zu einem Nutzungsverbot. Nicht unter § 15 WEG falle eine Regelung, die im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Flächen an einem Wohnungseigentümer zum ausschließlichen Gebrauch zuweise.
  2. Eine solche Regelung stelle wegen des damit verbundenen vollständigen Ausschlusses der anderen Wohnungseigentümer von dem Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums keine Konkretisierung des Gebrauchs im Sinne von § 15 WEG dar. Sie ändere vielmehr § 13 Abs. 2 WEG ab und führe zu einem Sondernutzungsrecht des begünstigten Wohnungseigentümers. Dies gelte auch dann, wenn allen Wohnungseigentümern eine gleichwertige Fläche des gemeinschaftlichen Eigentums zur alleinigen Nutzung zugewiesen werde.
  3. Allerdings werde verschiedentlich eine gleichmäßige räumliche Zuweisung gemeinschaftlichen Eigentums zur alleinigen Nutzung durch die einzelnen Wohnungseigentümer als eine mögliche Gebrauchsregelung im Sinne des § 15 WEG angesehen. So handle es sich beispielsweise nicht um einen Ausschluss vom Mitgebrauch, sondern um eine Konkretisierung des gemeinschaftlichen Gebrauchs, wenn jedem Wohnungseigentümer ein bestimmter Stellplatz zur dauerhaften oder befristeten Nutzung zugewiesen werde. Für jeden Wohnungseigentümer werde der Ausschluss vom Mitgebrauch an den übrigen Stellplätzen durch das Recht zum Alleingebrauch an ein...

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