Entscheidungsstichwort (Thema)

Freiwillige Krankenversicherung. Beitragstragung. Versicherter trägt Insolvenzrisiko des Arbeitgebers. Rückbuchung der von der Krankenkasse abgebuchten Beiträge durch Insolvenzverwalter. Lastschriftverfahren. Eintritt der Erfüllung der Beitragsforderung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der freiwillig Versicherte trägt die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung selbst. Er trägt daher das Insolvenzrisiko seines Arbeitgebers, wenn er mit diesem vereinbart hat, dass der Arbeitgeber die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung abführt.

2. Bucht der Insolvenzverwalter des Arbeitgebers die durch Lastschriftverfahren von der Krankenkasse abgebuchten Beiträge zurück, so sind sie nicht durch Erfüllung erloschen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 23.05.2017; Aktenzeichen B 12 KR 2/15 R)

BSG (Beschluss vom 29.06.2016; Aktenzeichen B 12 KR 2/15 R)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen Beitragsnachforderungen in Höhe von 1923,75 €.

Der Kläger ist freiwillig krankenversichert bei der Beklagten und hatte mit seinem Arbeitgeber verabredet, dass dieser die auf die Lohnzahlung anfallenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung an die Beklagte abführt.

Der Arbeitgeber erteilte der Beklagten daraufhin eine Einzugsermächtigung. In der Folge buchte die Beklagte die Beiträge im Wege des Lastschriftverfahrens regelmäßig beim Arbeitgeber ab. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers im April 2010 ließ der vorläufige Insolvenzverwalter alle Lastschriften stornieren und buchte so auch die von der Beklagten eingezogenen Beiträge für die Monate Januar bis März 2010 in Höhe von monatlich 641,25 € also insgesamt 1923,75 € zurück. Die Beiträge für April und Mai wurden von dem Insolvenzverwalter nicht mehr angewiesen.

Mit Beitragsbescheid vom 16.06.2010 setzte die Beklagte die Beiträge ab Januar 2010 entsprechend der Beitragsbemessungsgrenze auf monatlich 641,25 € fest und forderte vom Kläger für die Monate Januar bis Mai 2010 Beiträge in Höhe von (5 x 641,25 € =) 3206,25 € nach. In einem Begleitschreiben gleichen Datums erläuterte die Beklagte, der Kläger habe die Beiträge nach der Insolvenz seines Arbeitgebers selbst zu tragen.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 06.07.2010 Widerspruch ein. Er zahlte die Beiträge für April und Mai 2010 und verwies im Übrigen darauf, dass die Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung inkl. Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil für die Monate Januar bis März 2010 bereits vom Gehalt abgezogen, von seinem Arbeitgeber überwiesen und auf dem Konto der Antragsgegnerin gutgeschrieben worden seien. Mit dieser fristgerechten Zahlung durch den Arbeitgeber sei eine Erfüllung der Beitragsverpflichtung eingetreten. Der Umstand, dass der Insolvenzverwalter im April 2010 eine Rückbuchung veranlasst habe, ändere hieran nichts; insoweit verwies der Prozessbevollmächtigte auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Juni 2008 (Az. XI ZR 283/07).

Die Antragsgegnerin wies den Widerspruch des Antragstellers mit Widerspruchsbescheid vom 29.11.2010 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass nach den §§ 250 und 252 SGB V sowie § 60 SGB XI der Antragsteller als freiwillig Versicherter allein zur Beitragstragung und Beitragszahlung verpflichtet sei. Auch wenn der Arbeitgeber die Beiträge vom Gehalt einbehalten habe, verbleibe die Verpflichtung zur Zahlung der Beiträge gegenüber der Krankenkasse beim Kläger.

Mit seiner am 23.12.2010 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Bei vorbehaltloser Gutschrift auf dem Konto des Gläubigers trete, wie bei der Überweisung, Erfüllung ein. Das Lastschriftverfahren räume dem Gläubiger keine weitergehenden Rechte als beim Überweisungsverkehr ein und begründe insbesondere zugunsten des Insolvenzverwalters kein Instrumentarium für unzulässige Massenmehrung. Ein Anfechtungs- bzw. Widerrufsrecht des vorläufigen Insolvenzverwalters habe im vorliegenden Fall daher nicht bestanden und die Rückbuchung sei deshalb widerrechtlich erfolgt. Die Beitragszahlung sei nicht aus der Insolvenzmasse, sondern aus dem Nettoeinkommen des Klägers erfolgt. Es habe mit dem Einzug der Beiträge eine Individualisierung der Forderung stattgefunden. Mit der zunächst erfolgten Gutschrift auf dem Konto der Antragsgegnerin sei die Beitragsverpflichtung des Antragstellers im vollen Umfang erfüllt, mit der Folge, dass die Forderung aus dem angefochtenen Beitragsbescheid erloschen sei. Die Forderung würde durch die Rückbuchung nicht wieder aufleben.

Nur durch die Teilnahme der Bekl. am Lastschriftverfahren - das sich dadurch auszeichne, dass der Gläubiger die Initiative zur Zahlung ergreife - sei die Rückbuchung des Insolvenzverwalters möglich geworden. Wenn die Bekl. die Vorteile des Lastschriftverfahrens nutze, müsse sie auch die Rechtsfolgen tragen.

Zudem habe die Beklagte den Kläger darauf hinweisen müssen, dass er bei einem Einzug der Beiträge vom Arbeitgeber dessen Insolvenzrisiko tr...

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