Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Einpersonenhaushalt in Bayern. Angemessenheitsprüfung. schlüssiges Konzept. Regressionsmietspiegel. fehlende Aktualisierung bzw Fortschreibung des Konzepts

 

Orientierungssatz

1. Zur Schlüssigkeit des vom Grundsicherungsträger auf der Grundlage eines Regressionsmietspiegels erstellten Konzepts zur Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten gemäß § 22 Abs 1 S 1 SGB 2.

2. Allerdings muss das schlüssige Konzept des Grundsicherungsträgers, um den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit nach § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 ausfüllen zu können, die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarkts möglichst zeit- und realitätsgerecht erfassen (vgl BSG vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 70 und vom 4.6.2014 - B 14 AS 53/13 R = BSGE 116, 94 = SozR 4-4200 § 22a Nr 2). Hierzu bedarf es mindestens alle zwei Jahre der Fortschreibung des Konzepts.

 

Tenor

I. Der Bescheid vom 18.07.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.11.2016 wird dahingehend abgeändert, dass der Beklagte der Klägerin für den Zeitraum Juli 2016 bis Dezember 2016 monatlich 6,01 Euro mehr zu bewilligen hat.

II. Der Bescheid vom 29.11.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.04.2018 wird dahingehend abgeändert, dass der Beklagte verpflichtet wird, den Bescheid vom 19.12.2016 dahingehend abzuändern, dass der Klägerin für den Zeitraum Januar 2017 bis Dezember 2017 monatlich 103,40 Euro mehr zu bewilligen sind.

III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV. Der Beklagte hat der Klägerin 36 Prozent ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren über die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft der Klägerin im Zeitraum Juli 2016 bis Dezember 2018.

Die 1958 geborene schwerbehinderte (Grad der Behinderung: 50) Klägerin ist zum 01.07.2016 von ihrer bisherigen Wohnung in der H. in S. nach A-Stadt in die nunmehr bewohnte Unterkunft umgezogen.

Mit Schreiben vom 12.11.2015 kündigte der Vermieter der Klägerin die gemeinsam mit ihrer Tochter bewohnte Wohnung in der H. in S. außerordentlich wegen Zahlungsverzuges. In einem Verfahren vor dem Amtsgericht S. (Az.: 1 C 1272/02) wurde der Klägerin und ihrer Tochter eine monatliche Mietminderung von 20 Prozent und ein Zurückbehaltungsrecht von 40 Prozent zuerkannt. Zwischen Juni 2012 und Dezember 2014 haben die Klägerin und ihre Tochter insgesamt 14.312,50 Euro einbehalten. Vor dem Amtsgericht S. (Az.: 5 C 955/15) wurde der Räumungsklage des Vermieters in S. mit Endurteil vom 17.12.2015 stattgegeben und die Klägerin dazu verurteilt die Wohnung zu räumen und an den Vermieter herauszugeben. Die hiergegen eingelegte Berufung (Az.: 7 S 244/16) wurde durch das Landgericht A-Stadt mit Endurteil vom 26.04.2016 zurückgewiesen. Die Zwangsräumung der Wohnung in S. wurde für den 10.05.2016 angesetzt.

Der Klägerin wurden mit Bescheid des Jobcenters S. vom 28.04.2016 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in Höhe von monatlich 696,00 Euro (Regelleistung: 404,00 Euro, Kosten der Unterkunft und Heizung: 292,00 Euro) für den Zeitraum Mai 2016 bis April 2017 bewilligt.

Mit Schreiben vom 28.04.2016 beantragte die Klägerin beim Jobcenter S. die Genehmigung des Umzuges sowie mit weiterem Schreiben vom 28.04.2016 beim Beklagten die Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung für die streitgegenständliche nunmehr bewohnte Unterkunft. Ausweislich des Wohnungsangebotes der B. Hausverwaltung handelt es sich bei der N. Wohnung um eine 2-Raumwohnung mit 51,05 qm. Die Wohnung befindet sich im ersten Obergeschoss und ist mit Bad, Küche, Stellplatz, Balkon und Abstellraum ausgestattet; Baujahr 1973. Die Kosten der Wohnung setzten sich in dem vorgelegten Angebot wie folgt zusammen: Grundmiete: 410,00 Euro, Nebenkosten: 100,00 Euro, Stellplatz: 25,00 Euro, Heizkosten: 80,00 Euro. Die Wohnung sei zuvor von einer Bekannten der Klägerin bewohnt worden und habe sich bei dieser im Rahmen der von dem Beklagten festgelegten Angemessenheitsgrenzen bewegt. Aus der Nebenkostenabrechnung der Vormieterin ergebe sich ein Verbrauch an Nebenkosten von monatlich 52,05 Euro. Die Richtwerte der Stadt A-Stadt seien bekannt. Das Konzept sei jedoch das letzte Mal 2014 aktualisiert worden, die Mietpreise seitdem seien deutlich gestiegen. Es sei der Wert der Wohngeldtabelle zzgl. 10 % Sicherheitszuschlag zugrunde zu legen, mithin 477,10 Euro (Stand 01.01.2016). Die Kosten der Unterkunft der Klägerin würden diesen Wert zwar übersteigen, aufgrund der gesundheitlichen Situation sei dies jedoch erforderlich. Wegen der Asthmaerkrankung sei die Klägerin nicht in der Lage mehr als ein Stockwerk zu Fuß zu überbrücken und daher auf eine Erdgeschosswohnung oder eine Wohnung mit Aufzug angewiesen. Aus dem gleichen Grund kämen Wohnungen mit erhöhter Abgas- oder Feinstaubbelastung etwa an Hauptverkehrsstraßen nicht in Frage, was die Wohnungssuche nachhaltig ersch...

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