Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsprüfung. Beitragsnachforderung. Sozialversicherungspflicht. Museumsführer. Honorarkraft. Dienst höherer Art. Unternehmerrisiko. Eingliederung in Unternehmensorganisation. abhängige Beschäftigung. selbständige Tätigkeit. Erhebung von Säumniszuschlägen

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Honorarkraft ist bei geleisteten Diensten höherer Art als abhängig beschäftigt anzusehen, wenn sie in hohem Maße in die Organisation des Unternehmens eingegliedert ist und kein relevantes Unternehmensrisiko trägt.

 

Orientierungssatz

Bedingter Vorsatz liegt vor, wenn ein rechtswidriger Erfolg für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen wird (vgl BGH vom 17.09.1985 - VI ZR 73/84). Lediglich bewusste Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der rechtswidrige Erfolg zwar für möglich gehalten wird, aber darauf vertraut wird, dass dieser nicht eintritt. Ein Rechtsirrtum schließt den Vorsatz grundsätzlich aus, ist jedoch der Irrtum bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt vermeidbar, so bleibt eine Haftung wegen Fahrlässigkeit bestehen (vgl BGH vom 30.5.1972 - VI ZR 6/71 = BGHZ 59, 30).

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert wird endgültig auf 162.441,02 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist die Sozialversicherungspflicht von 87 bei der Klägerin im Rahmen einer “freien Mitarbeit„ tätigen Personen im Prüfzeitraum vom 01.01.2006 bis zum 31.12.2008.

Die Klägerin ist eine selbstständige Stiftung des Öffentlichen Rechts in Trägerschaft der Stadt Mannheim sowie des Landes Baden-Württemberg, sie betreibt das - in Mannheim.

Neben festangestellten Mitarbeitern beauftragte die Klägerin im Prüfzeitraum mehrere “freie Mitarbeiter„, die sich im Wesentlichen in fünf Gruppen aufteilen lassen: Museumsführer, Vorführer, Tutoren, Betreuer von Kindergeburtstagen und Mitarbeiter für Laborangebote. Die Museumsführer führten klassische Museumsführungen für Besuchergruppen durch. Die Vorführer betreuten eine Vielzahl von technischen Exponaten im Museum der Klägerin. Ihre Aufgabe war es, den Besuchern die diversen Exponate (z.B. “Satz und Druck„, “Getreidemühle„, “Papierherstellung„) in Aktion zu zeigen. Die Tutoren leisteten Hilfestellungen für Besucher bei Exponaten der Ausstellungsteile “Elementa 1 und 2„, “Bionik„ und verschiedenen Sonderausstellungen, indem sie weiterführende Erläuterungen gaben und Fragen beantworteten. Die Betreuer von Kindergeburtstagen betreuten Kinder zu einem bestimmten, vorher gewählten Thema. In diesem Rahmen wurde teilweise die Ausstellung besucht und erläutert und verschiedene Dinge hergestellt (z.B. Bau eines Raketenautos). Die Vorführer von Laborangeboten (“Lernpfad„) experimentierten mit Gruppen meist im Labor, Ziel war experimentelles Lernen, z.T. führten sie die Gruppen auch durch die Ausstellung, um Zusammenhänge aufzuzeigen.

Grundlage der Zusammenarbeit waren Verträge zur Erbringung verschiedener Leistungen im Rahmen des Museumsbetriebs, denen Beratungen mit der Kanzlei in H... vorausgingen. In dem umfangreichen Schriftverkehr wies die beratende Kanzlei auf die Schwierigkeiten der Abgrenzung von sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit hin. Bis zum 28.02.2007 wurden mit den betreffenden Personen Werkverträge abgeschlossen, ab dem 01.03.2007 Rahmenverträge. Gegenstand der Werkverträge war die Erbringung einer konkreten Leistung (z.B. für die “freie Mitarbeiterin„ ...“50 Präsentationen„ Handpapier schöpfen). Gegenstand der später geschlossenen Rahmenverträge war gemäß deren Präambel:

“... [Klägerin] veranstaltet ständig Ausstellungen zu bestimmten Themen und bietet Dritten ausstellungsbegleitende museumspädagogische Leistungen an. Zu den von... gegenüber Dritten erbrachten Leistungen gehören u.a. Führungen, Vorführungen, szenische Führungen, fremdsprachliche Führungen, Besucherbetreuung als Tutor, Betreuung eines Kindergeburtstages, Betreuung von Seniorengruppen und sonstige ausstellungsbegleitende museumspädagogische Leistungen.

Zur Durchführung dieser Leistungen benötigt ... - über ihre festangestellten Kräfte hinaus - ständig freie Mitarbeiter mit einschlägiger Ausbildung bzw. Berufserfahrung.

Die Parteien vereinbaren daher nachfolgende Rahmenbedingungen für die Beauftragung von FM [freie Mitarbeiter] innerhalb solcher Ausstellungen bzw. Führungen, wobei es ... überlassen ist, ob und in welchen Ausstellungen bzw. Führungen FM beauftragt wird. Im Gegenzug kann FM entscheiden, ob und inwieweit ein solcher Auftrag angenommen wird.

FM erhält für jeden Auftrag gesondert einen Leistungsschein, der den konkreten Leistungsinhalt, den zeitlichen Rahmen der Leistung und das konkrete Honorar regelt (zu Letzterem wird eine Leistungstabelle mit Honorarsätzen erstellt).„

Weiter heißt es unter 2.: “FM kann das Angebot nach freiem Ermessen annehmen. ...„

Und unter 3.: “Im Falle des Vertragsschlusses (Leistungsschein) ist FM grundsätzlich frei von Weisungen, jedoch an die von ... im Leistungsschein angegebenen Inhalte u...

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