Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Krankenversicherung: Kostenübernahme für Heilbehandlung. Voraussetzung der Genehmigungsfiktion bei Überschreitung der Entscheidungsfrist nach Kostenübernahmeantrag. Übernahme der Kosten für Wiederherstellungsoperation nach Gewichtsreduzierung

 

Orientierungssatz

1. Trat die Genehmigung einer beantragten Leistung auf Übernahme von Heilbehandlungskosten in der gesetzlichen Krankenversicherung aufgrund einer Genehmigungsfiktion wegen nicht rechtzeitiger Entscheidung gemäß § 13 Abs. 3a SGB 5 ein, so ist der Versicherte nicht nur auf einen Kostenerstattungsanspruch verwiesen, sondern kann auch einen Sachleistungsanspruch geltend machen (Anschluss LSG Essen, Beschluss vom 23. Mai 2014, L 5 KR 222/14).

2. Die Fiktion der Genehmigung einer Leistungsübernahme durch die gesetzlichen Krankenversicherung nach § 13 Abs. 3a SGB 5 bewirkt, dass die Krankenkasse mit allen Einwendungen gegen die Entscheidung, einschließlich der Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit, ausgeschlossen ist (Anschluss LSG Essen, Beschluss vom 23. Mai 2014, L 5 KR 222/14).

3. Einzelfall zur Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung für eine postbariatrische Wiederherstellungsoperationen nach Gewichtsverlust (hier: Kostenübernahmepflicht wegen Verstreichen der Bearbeitungsfrist des Leistungsantrags bejaht).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 06.11.2018; Aktenzeichen B 1 KR 13/17 R)

 

Tenor

1. Der Bescheid vom 17.12.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.03.2014 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin hautstraffende Operationen im Bereich der Brüste, der Bauchdecke, der Oberschenkel einschließlich Liposuktion zu gewähren.

3. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Beklagte.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer postbariatrischen Wiederherstellungsoperation bei Vorliegen einer Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3 a Satz 6 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch, Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V).

Die 1972 geborene Klägerin hat nach einem Magenbanding 50 kg Körpergewicht abgenommen. Unter Vorlage ärztlicher Atteste von Frau Dr. H. vom 06.09.2013, Dr. I. vom 30.08.2013, des Arztes Herrn J. vom 09.09.2013, des Arztes Herrn K. vom 18.09.2013, des Dr. L. vom 27.08.2013 sowie dem Bericht der M.-Klinik vom 18.09.2013 beantragte die Klägerin mit Eingang bei der Beklagten am 25.10.2013 Reduktionsplastiken der überstehenden Hautfalten im Bereich der Beine, des Bauches sowie der Brüste. Mit Schreiben vom 05.11.2013 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass - bevor entschieden werden könne - am 02.02.2013 eine Untersuchung durch den MDK durchgeführt werde. Das Gutachten erstattete N. am 09.12.2013. Die Sachverständige kam darin zu dem Ergebnis, dass unter Berücksichtigung der vorliegenden Befunde und der anamnestischen Angaben eine eindeutige medizinische Indikation für die beantragten Operationen mit Bauchdeckenstraffung, Mammastraffung, Liposuktion der Oberschenkel mit anschließender Weichteilreduktion nicht bestätigt werden könne, da weder Bewegungs- noch Funktionseinschränkungen vorliegen noch therapieresistente entzündliche Hautveränderungen. Am ehesten nachvollziehbar sei der Antrag auf eine gewebereduzierende Operation an den Oberschenkeln, da die Weichteilüberschüsse hier am ausgeprägtesten aufträten. Mit Bescheid vom 17.12.2013 gewährte die Beklagte dementsprechend eine gewebereduzierende Operation an den Oberschenkeln ohne Liposuktion und lehnte im Übrigen den Antrag ab.

Im Widerspruchsverfahren bezieht sich die Klägerin auf den Bericht der M.-Klinik vom 06.01.2014. Die Beklagte veranlasste eine erneute Prüfung durch den Arzt des MDK N. und wies unter Bezugnahme auf den Bescheid vom 17.12.2013 und die dort getroffene medizinische Sachverhaltsaufklärung mit Widerspruchsbescheid vom 14.03.2014 den Widerspruch zurück.

Im Klageverfahren verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und meint, sehr wohl einen Anspruch auf die beantragten Reduktionsoperationen zu haben. Zum einen sei sie der Ansicht, dass die Reduktionsoperationen als Sachleistung gemäß § 13 Abs. 3 a Satz 6 SGB V als genehmigt gelte, da über den Antrag nicht innerhalb der dort geforderten 5-Wochen-Frist entschieden worden sei. Eine rechtzeitige schriftliche Mitteilung der Beklagten an die Klägerin, man könne die 5-Wochen-Frist des § 13 Abs. 3 a Satz 1 SGB V nicht einhalten, wie sie § 13 Abs. 3 a Satz 5 zwingend vorschreibe, sei nicht erfolgt. Als Folge dessen sei die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3 a Satz 6 SGB V eingetreten. Die Klägerin bezieht sich auf diverse Urteile, die in solchen Fällen die begehrten Maßnahmen als genehmigt angenommen haben. Zudem sei § 13 Abs. 3 a SGB V nicht auf Erstattungsansprüche beschränkt. Der Eintritt der Genehmigungsfiktion bewirke, dass die Prüfung der medizinischen Notwendigkeit ein Ende finde und dem Antragsteller der materielle Sachleistungsanspruch zufalle. Anderenfalls wäre durch das Patientenrechtgesetz keine Änderung der Rechtslage eingetreten, da ...

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