Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung: Anerkennung eines Arbeitsunfalls. Versicherungsschutz für einen Besuch eines Grundsicherungsempfängers im Jobcenter

 

Orientierungssatz

Ein Unfallereignis im Zusammenhang mit der Wahrnehmung eines Gesprächstermins bei einem Träger der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende unterliegt nur ausnahmsweise dann dem Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn die Wahrnehmung des Termins aufgrund einer konkreten Aufforderung im Einzelfall zum in der Aufforderung angegebenen Zeitpunkt erfolgte. Dagegen unterfällt ein selbst eingeplanter Termin beim Grundsicherungsträger zur eigenständigen Stellensuche nicht dem Versicherungsschutz (Anschluss Landessozialgerichts Halle, Urteil vom 11. Oktober 2012, L 6 U 6/10).

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Arbeitsunfalls.

Der im Jahr 1972 geborene Kläger besitzt einen Universitätsabschluss als Diplom-Kaufmann. Von 2003 - 2010 war er als Medizin Controller und Qualitätsmanager beschäftigt, zuletzt bei der F.. Am Freitag, den 05.02.2010, wurde ihm von seinem Arbeitgeber mit Wirkung zum 31.03.2010 gekündigt. Am darauf folgenden Montag stellte er bei der Agentur für Arbeit Lüneburg einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II. Am 15.02.2010 wurde zwischen der Agentur für Arbeit (= AfA) Lüneburg und dem Kläger eine Eingliederungsvereinbarung geschlossen. Die Eingliederungsvereinbarung enthielt unter dem Stichpunkt "Bemühungen des Klägers„ unter anderem die Verpflichtung, zur Stellensuche intensiv persönliche Netzwerke, Job-Börsen, Arbeitgeber-Homepages u. ä. zu nutzen. Als nächster Termin zur Vorsprache bei der AfA Lüneburg war der 31.03.2010 angegeben.

Am 07.02.2010 erlitt der Kläger auf dem Weg zur AfA Lüneburg einen Unfall, als er auf der dortigen Eingangstreppe abrutschte. Im Durchgangsarztbericht von Dr. G. vom 18.02.2010 wurde als Diagnose eine "Fraktur des 5. Mittelfußknochens links" angegeben. Mit dem Schreiben vom 03.03.2010 teilte die Beklagte Dr. G. mit, dass ein Arbeitsunfall nicht vorgelegen habe und das Heilverfahren zulasten der Beklagten mit sofortiger Wirkung einzustellen sei. Eine Kopie dieses Schreibens ging an den Kläger mit der Bitte um Mitteilung, ob er einen rechtsbehelfsfähigen Bescheid wünsche. Im Schreiben vom 12.03.2010 vertrat der Kläger die Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII in seinem Fall erfüllt seien. Die Meldepflicht des § 309 SGB III würde auch für ihn gelten. Die im Gesetz vorgeschriebene besondere Aufforderung sei in seinem Fall durch die Eingliederungsvereinbarung ersetzt worden. Gemäß § 119 Abs. 4 Nr. 3 SGB III sei die Pflicht zur Inanspruchnahme von Informationseinrichtungen der AfA darüber hinaus auch gesetzlich verankert. Mit dem Bescheid vom 16.04.2010 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 17.02.2010 als Arbeitsunfall ab. Zwar habe der Kläger grundsätzlich der Meldepflicht des § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII unterlegen. Es habe jedoch keine an seiner Person gerichtete Aufforderung der AfA Lüneburg vorgelegen, am Unfalltag diese oder eine andere Stelle aufzusuchen. Die Eingliederungsvereinbarung sei keine Willensäußerung, sich zu einem bestimmten Termin - d. h. hier: 17.02.2010 - bei der AfA Lüneburg im Berufsinformationszentrum vorzustellen. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit dem Widerspruchsbescheid vom 22.09. 2010 zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger am 23.10.2010 beim Sozialgericht (= SG) Lüneburg Klage erhoben und weiterhin die Auffassung vertreten, dass vor dem Hintergrund der in § 119 Abs. 4 Nr. 3 SGB III genannten gesetzlichen Verpflichtungen die Eingliederungsvereinbarung einer an ihn gerichteten Aufforderung gleichkommen würde. Demgegenüber hat die Beklagte die Auffassung vertreten, dass nicht sämtliche Eigenbemühungen eines Arbeitslosen unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung fallen würden. Zum Unfallzeitpunkt habe keine konkrete Aufforderung der AfA Lüneburg bestanden, sich dort vorzustellen. Schließlich hat der Kläger geltend gemacht, dass Versicherungsschutz auch gemäß der Vorschrift § 2 Absatz ein Nr. 3 SGB VII vorliegen würde.

Der Kläger beantragt,

1. den Bescheid der Beklagten vom 16.04.2010 und den Widerspruchsbescheid vom 22.09.2010 aufzuheben,

2. festzustellen, dass es sich bei dem Ereignis vom 17.02.2010 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Entscheidung wurden die Gerichtsakten und die Akten der Beklagten zugrunde gelegt. Auf ihren Inhalt wird Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gem. § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (= SGG) zulässig. Nachdem die Beklagte einen Leistungsanspruch des Klägers insgesamt mit der Begründung verneint hat, ein Arbeitsunfall liege nicht vor, ist zunächst diese Voraussetzung als Grundlage möglicher Leistungsansprüche im Wege de...

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