Entscheidungsstichwort (Thema)

Behinderungsausgleich durch Hörgeräteversorgung. Krankenversicherung

 

Leitsatz (amtlich)

Zwar erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht grundsätzlich bereits mit dem Festbetrag; eine darüber hinausgehende Versorgung mit digitalen Hörhilfen ist jedoch nicht ausgeschlossen, wenn nur dadurch der erforderliche Behinderungsausgleich zu erzielen ist.

 

Tenor

I. Der Bescheid vom 15.03.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.07.2007 wird abgeändert.

II. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die Mehrkosten für die Hörgeräteversorgung mit dem Typ “Elevea 411 dAZ„ in Höhe von 3014,18 € zu erstatten.

III. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig ist die Versorgung mit Hörgeräten.

Der 1952 geborene Kläger leidet beidseits an einer an Taubheit grenzenden Innenohrschwerhörigkeit. Er ist schwerbehindert bei einem Grad der Behinderung (GdB) von 90 und im Schwerbehindertenausweis eingetragener Merkzeichen “RF„ sowie “GI„. Seit April 2004 ist er bei der Beklagten versichert. Er ist ehrenamtlich tätig, u.a. als ehrenamtlicher Richter dieses Gerichts.

Auf Antrag lehnte die Rentenversicherung Bund durch Bescheid vom 12.09.2006 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form von Hörhilfen ab, weil er nicht erwerbstätig sei, d. h . zur Sicherung seines Lebensunterhalts keiner beruflichen Tätigkeit nachgehe. Dass er ehrenamtlicher Richter beim Sozialgericht Leipzig sei, rechtfertige keine Versorgung durch den Rentenversicherungsträger.

Daraufhin beantragte der Kläger bei der Beklagten am 21.09.2006 die Kostenübernahme für eine Hörgeräteversorgung mit FM-Anlage. Er habe seit vielen Jahren höherwertige Hörgeräte zum Ausgleich seiner Hörbehinderung getragen, wobei die Krankenkasse und das Amt für Familie und Soziales den über den Festbetrag hinausgehenden Kostenanteil getragen hätten. Der Festbetrag begrenze die Leistungspflicht der Krankenkasse nicht, wenn dadurch kein Behinderungsausgleich erzielt werden könne. Er habe erfolgreich Geräte der Phonak “Elevea TM„ getestet. Seit einem Jahr sei er arbeitslos, benötige aber zum Wiedereinstieg in das Arbeitsleben ein ausreichendes Hörvermögen, um zumindest telefonisch mit potenziellen Arbeitgebern Kontakt aufnehmen zu können. Nach einem Hörsturz habe sich sein Hörvermögen weiter verschlechtert.

Der Beklagten lag vor eine Verordnung der Fachärztin für HNO-Heilkunde Dr. C... vom 26.05.2006 auf Versorgung mit einer FM-Anlage bei hochgradiger, an Taubheit grenzender, Innenohrschwerhörigkeit beidseits. Die seit 2001 getragenen Hörhilfen entsprächen nicht mehr den Anforderungen, weil rechtsseitig eine erhebliche Schwellenveränderung vorliege.

Nach Bescheinigungen des Hörgerätezentrums G... von D... vom 31.05.2005 und 17.11.2006 ist eine Neuversorgung wegen rapider Hörverschlechterung nach Hörsturz erforderlich, wobei mit Phonak “Elevea 411„ beste Erfolge erzielt worden seien.

Des Weiteren lagen vor Anpassungsberichte der Hörgeräteakustiker vom 11.10.2000, 05.05.2006 und 02.02.2007 sowie eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) von Frau Dr. P... vom 21.02.2007.

Unter Bezugnahme hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15.03.2007 die beantragte Hörgeräteversorgung ab. Auch mit Hörgeräten zum Festpreis könne ein ausreichendes Verständnis erreicht werden. Sie beteilige sich daher an der medizinisch notwendigen Hörgeräteversorgung in Höhe des bundesweit einheitlichen Festbetrages von 421,28 € pro Hörgerät und 35,29 € je Ohrpassstück. Über den Festbetrag hinausgehende Mehrkosten müsse der Versicherte selbst tragen bei einer Zuzahlung von 20,00 €. Wegen Übernahme des darüber hinausgehenden Betrages möge er sich an das Integrationsamt (Amt für Familie und Soziales) wenden.

Hiergegen legte der Kläger am 02.04.2007 Widerspruch ein. Er habe keine Alternative zu der beantragten Versorgung, da nur höherwertige Hörgeräte seine Behinderung ausgleichen könnten. Hierbei handele es sich um keine “Schönheitskorrektur„, weil die “Kassengeräte„ nicht mehrkanalig seien und keine Störgeräusche unterdrückten, weshalb er seit Jahrzehnten von einer höherwertigen Versorgung abhängig sei. Da Bewerbungen auf Stellenangebote zumindest einen “ordentlichen telefonischen Kontakt„ erforderten, sei deswegen eine erneute Arbeitsaufnahme gescheitert. Das Integrationsamt fördere ihn nicht, weil er seit Juli 2005 arbeitslos sei. Bei einer Grundversorgung wäre er überfordert, was Kopfschmerzen und Schwindelanfälle zur Folge habe.

Durch Widerspruchsbescheid vom 18.07.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Wenn für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt sei, erfülle die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag, mit dem alle Kosten abgegolten seien. Durch einen Rahmenvertrag mit der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker werde ein aktuelles, ausreichendes Sortiment an Hörhilfen festgelegt, die von den Spitzenverbänden bestimmt würden.

Der Kläger hat deswegen am 15.08.2007 Klage zum So...

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