Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankengeld. Nahtlosigkeit der AU-Feststellung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es reicht für die Nahtlosigkeit der AU-Feststellung aus, wenn sich der Versicherte am letzten Tag der Befristung beim Arzt vorstellt und in der Krankenakte eine Diagnose festgehalten wird, ohne dass eine AU-Bescheinigung ausgestellt wird.

2. Der Versicherte hat alles in seiner Macht stehende getan, wenn zwei zugelassene Ärzte ihm versichern, dass eine vom Facharzt am Folgetag ausgestellte AU-Bescheinigung ausreicht.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 11.05.2017; Aktenzeichen B 3 KR 22/15 R)

 

Tenor

1. Unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 04.02.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.04.2013 wird die Beklagte verurteilt, der Klägerin über den 03.01.2013 hinaus bis einschließlich 07.05.2013 Krankengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Krankengeld für den Zeitraum vom 04.01.2013 bis zum 07.05.2013.

Die am ….1960 geborene Klägerin war bei der Beklagten aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses im Versicherungsbüro ihres Ehemannes gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) versichert. Im Zuge der Betriebsschließung wurde der Klägerin am 30.09.2012 zum 31.12.2012 gekündigt. Am 03.10.2012 meldete sich die Klägerin bei der Agentur für Arbeit arbeitslos. Ab dem 23.11.2012 war die Klägerin mit der Diagnose “Depressive Episode„ arbeitsunfähig erkrankt. Sie erhielt von der Beklagten ab dem 01.01.2013 Krankengeld.

Die Klägerin war zunächst bei dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. S. in Behandlung. Von dort wurden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen am 23.11.2012 bis einschließlich 07.12.2012, am 07.12.2012 bis einschließlich 21.12.2012 und am 21.12.2012 bis einschließlich 03.01.2013 ausgestellt. Ab dem 04.01.2013 war die Klägerin in fachpsychiatrischer Behandlung bei Frau Dr. K.. Von dort wurden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen am 04.01.2013 bis einschließlich 25.01.2013, am 24.01.2013 bis einschließlich 14.02.2013, am 13.02.2103 bis einschließlich 06.03.2013, am 06.03.2013 bis einschließlich 27.03.2013 am 26.03.2013 bis einschließlich 16.04.2013 und am 15.04.2013 bis einschließlich 07.05.2013 ausgestellt.

Mit Schreiben vom 16.01.2013 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihre Mitgliedschaft zum 03.01.2013 beendet worden sei. Mit Schreiben vom 22.01.2013 wies die Beklagte darauf hin, dass es an einer Nahtlosigkeit der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit vom 03.01.2013 auf den 04.01.2013 fehle. Es hätte spätestens am 03.01.2013 eine Arztpraxis aufgesucht werden müssen; die Bescheinigung vom 04.01.2013 reiche nicht aus. Die Klägerin legte daraufhin eine ärztliche Bescheinigung des Dr. S vom 24.01.2013 vor, der mitteilte, dass sich die Klägerin am 03.01.2013 in seiner Sprechstunde vorgestellt habe. Bis zu diesem Tag sei sie von ihm arbeitsunfähig geschrieben gewesen. Überlappend sei am 04.01.2013 eine neue Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von Frau Dr. K. ausgestellt worden. Die Klägerin sei somit fortlaufend arbeitsunfähig gewesen. Mit Schreiben vom 26.01.2013 erläuterte die Klägerin gegenüber der Beklagten den Arztwechsel vom 03.01.2013 auf den 04.01.2013. Eine Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) erfolgte nicht.

Mit Bescheid vom 04.02.2013 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass für die Arbeitsunfähigkeit ab dem 04.01.2013 kein Anspruch auf Krankengeld bestehe. Den Widerspruch der Klägerin vom 14.02.2013 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03.04.2013 zurück. Mit Schreiben vom 25.04.2013 teilte die Beklagte mit, dass sie die Klägerin ab dem 04.01.2013 als Nichterwerbstätige gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V pflichtversichert absichere.

Mit der am 16.04.2013 erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Zahlung von Krankengeld über den 03.01.2013 hinaus bis einschließlich 07.05.2013 sowie die Feststellung, dass für diese Zeit weiterhin ein Versicherungsverhältnis über § 5 Abs.1 Nr. 1 SGB V bestanden hat. Zur Begründung verweist die Klägerin auf die der Beklagten vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, das Attest des Dr. S. vom 24.01.2013 sowie darauf, dass sie kein Verschulden treffe. Sollte Dr. S. einen Fehler gemacht haben, so sei dieser jedenfalls der Beklagten zuzurechnen und ihr zumindest im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs Krankengeld und Versicherungsschutz nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V über den 03.01.2013 hinaus zuzubilligen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 04.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.04.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Krankengeld über den 03.01.2013 hinaus bis einschließlich 07.05.2013 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung fest und verweist auf die Voraussetzungen für die Gewährung vo...

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