Nachgehend

BSG (Urteil vom 05.07.2016; Aktenzeichen B 2 U 19/14 R)

 

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 19.07.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.11.2011 wird aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass das Unfallereignis vom 09.12.2010 ein Arbeitsunfall war.

Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über das Vorliegen eines Arbeitsunfalls.

Die 1973 geborene Klägerin arbeitet als Sozialversicherungsfachangestellte bei der E. EX. - E. - in der Niederlassung B-Stadt, wo ca. 230 Mitarbeiter in elf Abteilungen tätig sind. Eine Abteilung wird von einer Sachgebietsleiterin geleitet. Die nächsthöhere Ebene sind die Sachbereichsleiter, die jeweils für zwei Sachgebiete zuständig sind; diese wiederum sind den Referenten unterstellt, die jeweils für zwei Sachbereiche zuständig sind. Deren Vorgesetzter ist der Dienststellenleiter.

Am 9.12.2010 - einem Freitag - fand eine Weihnachtsfeier statt, an der die Klägerin teilnahm. Die Weihnachtsfeier wurde von der Abteilung, in der die Klägerin tätig war, organisiert. Neben einem weiteren Mitarbeiter wurde die Weihnachtsfeier auch von der Sachgebietsleiterin geplant und durchgeführt; diese nahm auch an der Feier teil. Die Feier begann um 12:00 Uhr mit einem Kaffeetrinken in den Diensträumen. Anschließend fuhr man mit der Bahn in die F. um dort zu wandern. Mit einem gemeinsamen Abendessen endete die Feier. Im Rahmen der Wanderung rutschte die Klägerin auf einem Waldweg aus und fiel auf ihren rechten Arm. Am nächsten Tag konsultierte sie den Arzt Dr. C., der eine Ellenbogenprellung rechts feststellte. Äußere Verletzungszeichen lagen nicht vor; das Röntgen ergab keine knöchernen Verletzungen. Festgestellt wurde ein Druckschmerz über dem prox. Unterarm streckseitig ohne Bursabeteiligung (H-Arzt-Bericht vom 10.12.2010). Im Nachschaubericht vom 24.1.2011 wurde eine Verstauchung und Zerrung des Handgelenkes, Prellung des Ellenbogens und Verdacht auf Epicondylitis laterales diagnostiziert.

Mit Bescheid vom 19.7.2011 lehnte die Beklagte Entschädigungsleistungen aus Anlass des Ereignisses vom 9.12.2010 ab. Zur Begründung führte sie aus, dass ein Arbeitsunfall nicht vorliege. Die Klägerin sei bei der Weihnachtsfeier nicht unfallversichert gewesen. Die Veranstaltung habe nicht die Kriterien einer "betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung" - eine solche stehe unter bestimmten Voraussetzungen unter Versicherungsschutz - erfüllt. Die Weihnachtsfeier sei nur von einer Abteilung durchgeführt worden und habe nicht allen Betriebsangehörigen offen gestanden. Deshalb sei die Teilnahme an der Weihnachtsfeier dem privaten Bereich zuzuordnen.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Ihrer Auffassung nach habe Versicherungsschutz bestanden, denn jede Abteilung sei seitens der Behördenleitung autorisiert gewesen, eine eigene Weihnachtsfeier durchzuführen. Es liege auf der Hand, dass eine Weihnachtsfeier aller Beschäftigten der E. mit hessenweit ca. 2350 Angestellten wohl kaum durchführbar sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.11.2011 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin aus den Gründen des Ausgangsbescheides zurück. Ergänzend führte sie aus, dass in der Niederlassung B-Stadt der E. mit ca. 230 Mitarbeitern eine gemeinsame Veranstaltung durchaus möglich gewesen wäre. Eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung stehe nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts BSG - nur dann unter Versicherungsschutz, wenn sie der Verbundenheit der Arbeitnehmer untereinander diene; nicht ausreichend sei, dass der Arbeitgeber den Feiernden mit der Einteilung der Arbeitszeit oder mit der Erlaubnis, betriebliche Einrichtung benutzen zu können, entgegenkomme.

Mit am 22.11.2011 beim Sozialgericht Kassel erhobener Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Anerkennung eines Arbeitsunfalls weiter. Sie hat hierzu ein Protokoll der Besprechung der Sachgebietsleiter vom 20.10.2008 sowie einen Auszug aus dem Protokoll der Sachbereichs- bzw. Sachgebietsleiterbesprechung vom 11.11.2010 eingereicht und den Ablauf der Feier am 9.10.2010 beschrieben.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 19.7.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.11.2011 aufzuheben und festzustellen, dass das Unfallereignis vom 9.12.2010 ein Arbeitsunfall war.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide. Es habe vorliegend keine Teilnahmemöglichkeit aller Betriebsangehörigen bestanden was jedoch zwingende Voraussetzung für eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung sei. Wie sich dem von der Klägerin eingereichten Protokoll aus 2008 entnehmen lasse, sei neben den abteilungsinternen Weihnachtsfeiern auch ein gemeinsamer Jahresabschluss der Beschäftigten der Niederlassung B-Stadt der E. beabsichtigt gewesen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen, die Gegenst...

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