Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständigkeit für die Asylbewerberleistungsverwaltung

 

Leitsatz (amtlich)

Rechtsbehelfe zur Geltendmachung von Rechten nach dem AsylbLG sind vor den (Landes-) Sozialgerichten des Landes Baden-Württemberg immer gegen das Land Baden-Württemberg zu richten und niemals gegen diejenigen Landratsämter, die innerhalb ihres örtlichen Zuständigkeitsbereiches nur als Organe des Landes Baden-Württemberg die Leistungsgewährung nach dem AsylbLG ausführen.

 

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

1.

Der Antragsteller wendet sich im Wege des Eilrechtsschutzes gegen eine teilweise Anspruchseinschränkung nach dem AsyIbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) gewährter Leistungen.

Der Antragsgegner führt als Landratsamt bzw. untere Verwaltungsbehörde des Bundeslandes Baden-Württemberg das AsylbLG innerhalb seines örtlichen Zuständigkeitsbereiches aus. Er hob mit Änderungsbescheid vom 28.08.2020 eine vorherige Leistungsbewilligung vom 13.07.2020 ab dem 01.09.2020 auf und bewilligte zugleich vom 01.09.2020 bis 28.02.2021 Leistungen (nur noch) in Höhe von monatlich 171,00 € in Form von Wertgutscheinen zzgl. Sachleistungen. Im Briefkopf des Bescheides erwähnte der Antragsgegner nicht das Land Baden-Württemberg, sondern nur sich und den Landkreis, für den er andere Gesetze als das AsylbLG ausführt. Der fachkundig vertretene Antragsteller hat am 09.09.2020 das Sozialgericht Karlsruhe um Eilrechtsschutz ersucht. Als Antragsgegner hat er in seiner Antragsschrift das Landratsamt bezeichnet. Er hat den Bescheid vom 28.08.2020 und seinen hiergegen am selben Tag beim Landratsamt angebrachten Widerspruch vorgelegt. Er beantragt:

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 09.09.2020 gegen den Bescheid vom 28.08.2020 wird angeordnet.

Das Gericht hat angesichts der Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung zwecks Prozessbeschleunigung keine Antragserwiderung eingeholt und keine Behördenakte beigezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Streitstandes wird auf die Prozessakte verwiesen.

2.

Der Eilantrag ist abzulehnen, da er sich gegen ein nicht beteiligungsfähiges Landratsamt richtet.

Die Bestimmung des Antragsgegners ist in § 123 SGG (Sozialgerichtsgesetz) geregelt. Danach entscheidet das Gericht über die erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Die Vorschrift bringt die Dispositionsmaxime zum Ausdruck, wonach das Gericht nur über die vom Rechtbehelfsführer zur Entscheidung gestellten Anträge entscheiden darf (MKLS/Keller, 13. Aufl. 2020, SGG § 123 Rn. 1). Erforderlichenfalls muss der Antrag entsprechend § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ausgelegt werden (MKLS/Keller, 13. Aufl. 2020, SGG § 123 Rn. 3). Dabei geht das Gericht von dem aus, was mit dem Rechtsbehelf erreicht werden soll; nach dem sogenannten Meistbegünstigungsprinzip wird im Zweifel der Antrag gestellt, der den Rechtsmittelführer am besten zum Ziel verhilft (MKLS/Keller, 13. Aufl. 2020, SGG § 123 Rn. 3). Bei der Auslegung sind das gesamte Vorbringen und alle bekannten Umstände zu berücksichtigen. Bei einem von einem Rechtsanwalt oder einem anderen qualifizierten Prozessbevollmächtigten gestellten Antrag ist jedoch in der Regel anzunehmen, dass dieser das Gewollte richtig wiedergibt (MKLS/Keller, 13. Aufl. 2020, SGG § 123 Rn. 3).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die zur hier begehrten Durchsetzung des streitbefangenen Anordnungsanspruchs einzig sachdienliche Inanspruchnahme des Rechtsträgers der Asylbewerberleistungsverwaltung mit der fachkundig verfassten Antragsschrift vom 09.09.2020 nicht erfolgt. Ihr Wortlaut erlaubt es nicht, das Land Baden-Württemberg als den einstweilig in Anspruch genommenen Antragsgegner anzusehen. Im rechtsanwaltlich formulierten Rechtsbehelf wird als Antragsgegner ausdrücklich das Landratsamt bezeichnet. Dass sich der Antrag gleichwohl gegen das Bundesland richten soll, lässt sich auch aus der Beifügung des angefochtenen Bescheides nicht ableiten. Das Land Baden-Württemberg findet darin weder im Fließtext noch im Briefkopf oder in der Rechtsbehelfsbelehrung Erwähnung. Dasselbe gilt für die rechtsanwaltliche Eilantragsbegründung und die darin in Bezug genommenen bzw. eingereichten Anlagen.

Ebenso wenig kann die Antragsschrift nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz dahingehend ausgelegt werden, dass der Landkreis Karlsruhe in Anspruch genommen werde. Zwar hat das Landratsamt im Briefkopf des angefochtenen Bescheides den Landkreis Karlsruhe genannt. Eine mit Hinweis hierauf erfolgte Auslegung der Antragsschrift begünstigte den Antragsteller aber nicht. Sein Eilantrag wäre auch in dieser Lesart offensichtlich unbegründet. Ein an Recht und Gesetz gebundenes Gericht kann einen Rechtsträger nicht zur Durchführung eines Gesetzes verpflichten, welches nicht er, sondern ein anderer Rechtsträger auszuführen hat. Vom Landkreis Karlsruhe vermag der Antragsteller die Durchführung der Asylbewerberleistungsgewährung aber mit S...

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