Entscheidungsstichwort (Thema)

Hinterbliebenenrente. Arbeitsunfall. haftungsausfüllende Kausalität. mittelbare Unfallfolge. Ablehnung einer Bluttransfusion. religiöse Überzeugung

 

Leitsatz (amtlich)

Ist der Tod des Versicherten allein wesentlich durch die Ablehnung einer Bluttransfusion seitens des Versicherten verursacht worden, so haben die Hinterbliebenen keinen Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 09.12.2003; Aktenzeichen B 2 U 8/03 R)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um Hinterbliebenen-Leistungen.

Die Klägerin war die Ehefrau des 1957 geborenen, an Diabetes mellitus mit einer dialysepflichtigen Niereninsuffizienz und an einer HIV-Infektion erkrankten der der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas angehörte und bei der Beklagten als Arbeitnehmer versichert war. Am 10.03.1994 fuhr der Versicherte auf dem Nachhauseweg von der Arbeit mit seinem Pkw schon auf seinem üblichen Weg in Schlangenlinien, dabei über seine sonst übliche Schnellstraßen-Abfahrt hinaus und stieß dann frontal mit einem anderen Pkw zusammen, dessen Fahrer noch an der Unfallstelle verstarb.

In dem erstaufnehmenden Kreiskrankenhaus W wurden zahlreiche Verletzungen und Brüche u.a. im Bereich der linken Hüfte beim Versicherten diagnostiziert, eine Operation jedoch nicht durchgeführt, da dieser Bluttransfusionen aus religiösen Gründen ablehnte. Im Rahmen der anschließenden Weiterbehandlung in der Universitäts-Klinik B wurde bei dem Versicherten am 15.09.1994 eine erste Implantation einer Hüftgelenks-Prothese links mit nachfolgender Revisions-Operation am 27.09.1994, jeweils ohne Fremdblut, vorgenommen.

Durch Urteil des Amtsgerichts Wetzlar vom 13.12.1994 (Az.: 4 Ls 23 Js 1302/94) wurde der Versicherte wegen fahrlässiger Tötung usw. verwarnt, wobei aufgrund eines rechtsmedizinischen Gutachtens davon ausgegangen wurde, daß er zum Unfallzeitpunkt wegen eines Zuckerschocks fahruntüchtig war.

Anfang 1995 wurde beim Versicherten eine Vereiterung der Hüftgelenks-Prothese festgestellt. Im Rahmen der neuerlichen Hüftgelenks-Operation am 17.02.1995 in der Endo-Klinik H verstarb der Versicherte. Als Ursache für den Tod wurde von dem Operateur Dr. S im ärztlichen Zeugnis vom 07.03.1995 die Ablehnung von Bluttransfusionen angegeben.

Im Laufe des Verwaltungsverfahrens zog die Beklagte das Vorerkrankungsverzeichnis, ärztliche Unterlagen der behandelnden Ärzte und Einrichtungen sowie die Strafakte bei und erklärte sich mit Schreiben vom 13.02.1995 - vorbehaltlich der Entscheidung des Rentenausschusses - bereit, den Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Mit Bescheid vom 02.08.1995 lehnte sie die Gewährung von Entschädigungsleistungen aufgrund des Todes des Versicherten ab, weil dieser nicht durch die Unfallfolgen, sondern die Ablehnung von Bluttransfusionen verursacht worden sei.

Der am 16.08.1995 eingelegte Widerspruch wurde damit begründet, daß die Operation aufgrund der Unfallfolgen notwendig gewesen sei und die Ablehnung von Fremdblut im Ermessen des Versicherten gelegen hätte. Mit Widerspruchsbescheid vom 05.09.1995 wurde der Widerspruch zurückgewiesen und zur Begründung neben der Kausalität darauf hingewiesen, daß vorsätzlich herbeigeführte Selbsttötungen nicht zu entschädigen seien und aus der Glaubensfreiheit des Versicherten keine Entschädigungspflicht der Beklagten hergeleitet werden könne.

In der am 04.10.1995 erhobenen Klage wird ergänzend insbesondere ausgeführt, der Versicherte habe keine Selbsttötungsabsicht gehabt und es habe keine Pflicht zu einer Bluttransfusion gemäß §§ 63 ff. Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (SGB I) bestanden.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines fachorthopädischen Gutachtens bei Prof. Dr. G, Universitäts-Klinik M, vom 30.07.1997 und eines Gutachtens gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei Prof. Dr. von B, St.- Johannes-Hospital, D, vom 20.11.1998 mit Stellungnahme von Dr. S, Endo-Klinik H, vom 10.09.1998.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 02.08.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.09.1995 zu verurteilen, ihr aufgrund des Todes des bei der Beklagten versichert gewesenen Entschädigungsleistungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungs- und die Gerichtsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Entschädigungsleistung gegen die Beklagte aufgrund des Todes ihres Ehemannes.

Nach der zur Zeit des Unfalls und des Todes des Versicherten noch geltenden Reichsversicherungsordnung - RVO (vgl. das Übergangsrecht des am 01.01.1997 in Kraft getretenen Siebtes Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII - in dessen §§ 212 ff.) ist bei Tod durch Arbeitsunfall Sterbegeld, Überführungskosten und Hinterbliebenenrente zu gewähren (§ 589 Abs. 1 RVO).

"Tod durch Arbeitsunfall" setzt voraus, daß der Tod durch den Arbei...

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