Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Pflegegeld nach § 39 SGB 8. Erziehungsbeitrag

 

Orientierungssatz

Aus § 39 Abs 1 S 2 SGB 8 ergibt sich, dass mit dem Ersatz für die Kosten der Erziehung im Rahmen des für das Kind gezahlten notwendigen Unterhaltes auch die durch die Erziehungsleistung der Pflegeperson entstehenden Kosten abgedeckt werden sollen, ohne dass dies die Kosten der Tätigkeit als solcher sind. Es soll nicht die Pflegeperson finanziell unterstützt werden, sondern im Rahmen der Unterhaltsgewährung die Erziehungsleistung. Der Erziehungsbeitrag ist letztlich auch eine Unterhaltsleistung an das Kind und soll dazu führen, dass durch ihn eine ausreichende Erziehung, über den materiellen Unterhalt des Kindes hinaus, abgedeckt ist. Der Erziehungsbeitrag ist somit eine zweckbestimmte Einnahme iS des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB 2 und daher nicht als Einkommen der Pflegeeltern zu berücksichtigen.

 

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 08.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2005 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 21.10.2005 wird abgeändert und die Beklagte verurteilt, den Klägern Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung des Pflegegeldes nach § 39 SGB VIII für den Bewilligungsabschnitt Mai bis Oktober 2005 zu gewähren.

2. Die Beklagte hat den Klägern die ihnen entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Kläger begehren die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch - Zweites Buch - (SGB II).

Die Kläger beantragten am 14.02.2005 die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II. Sie gaben an, dass sie neben mehreren eigenen Kindern, fünf Pflegekinder im eigenen Haushalt betreuen. Sie erhalten für die Pflege der Pflegekinder Pflegegeld. Sie gaben an, dass sie Eigentümer eines eigenen Grundstückes mit Hausbebauung sind. Die Beklagte berücksichtigte bei Prüfung der Hilfebedürftigkeit 40 % des gewährten Pflegegeldes (sog. Erziehungsbeitrag) als Einkommen, ebenso an den Kläger zu 1) bis April 2005 gezahltes Übergangsgeld. Sie lehnte daher am 08.04.2005 den Antrag ab, da die Antragsteller nicht bedürftig seien aufgrund der erzielten Einnahmen.

Die Kläger legten hiergegen am 19.04.2005 Widerspruch ein und beriefen sich darauf, dass die Berechnung der Unterkunftskosten und des Einkommens nicht nachvollziehbar sei. Sie legten eine Bescheinigung vor, aus der sich ergibt, dass für die Pflegekinder jeweils ein Erziehungsbeitrag von 185,00 € von der Stadt A-Stadt, Magistrat, Jugendamt an sie gezahlt wird. Der Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 06.07.2005 zurückgewiesen. Die Beklagte führte u. a. aus, dass 40 % des gewährten Pflegegeldes anzurechnen sei, da es sich hierbei um Einkommen der Kläger handele. Die Beklagte berücksichtigte insgesamt von dem gezahlten Erziehungsbeitrag in Höhe von 1.036 € für alle fünf Kinder als bereinigtes Erwerbseinkommen abzüglich des Freibetrages einen Betrag von 389,89 €.

Die Kläger haben am 22.07.2005 Klage vor dem Sozialgericht erhoben. Die Beklagte hat durch Bescheid vom 21.10.2005 die Gewährung von Leistungen in Höhe von 193,15 € monatlich für Mai bis Oktober 2005 anerkannt, nachdem ein leibliches Kind ausgezogen ist. Das Pflegegeld ist weiterhin in der oben bezeichneten Höhe angerechnet worden.

Die Kläger sind der Ansicht, dass das Pflegegeld nicht anzurechnen sei, da es sich bei der Pflege nicht um eine Erwerbstätigkeit handele und der Erziehungsbeitrag eine zweckgebundene Leistung sei, die gemäß § 11 SGB II nicht anzurechnen sei.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid der Beklagten vom 08.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2005 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 21.10.2005 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihnen Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung des Pflegegeldes für den Bewilligungsabschnitt Mai bis Oktober 2005 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es wird zum weiteren Sach-und Streitstand auf die Leistungsakte der Kläger bei der Beklagten und die Gerichtsakte verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides in der Gestalt des Änderungsbescheides war abzuändern, da er teilweise rechtswidrig ist und die Kläger insoweit in ihren Rechten verletzt.

Die Kläger haben einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II ohne Anrechnung des an sie gezahlten Pflegegeldes gemäß § 39 Sozialgesetzbuch -Achtes Buch -(SGB VIII).

Nach § 7 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und de...

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