Entscheidungsstichwort (Thema)

Abschaffung der Arbeitslosenhilfe. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Verfassungsmäßigkeit. Erklärung nach § 428 Abs 1 SGB 3

 

Orientierungssatz

Durch die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe zugunsten der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach SGB 2 sind Verfassungsrechte auch der Arbeitslosen nicht verletzt, die eine Erklärung nach § 428 Abs 1 SGB 3 abgegeben haben. Ein Anspruch auf Fortzahlung von Leistungen in der bis zum 31.12.2004 gewährten Höhe besteht nicht.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 23.11.2006; Aktenzeichen B 11b AS 17/06 R)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Kläger zustehenden Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).

Der im Jahre 1944 geborene, geschiedene Kläger bezog bis zum 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe, nach seinen eigenen Angaben in Höhe von monatlich 723,23 EUR. Der Kläger hatte gegenüber der Agentur für Arbeit die Erklärung nach § 428 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) abgegeben.

Mit Bescheid vom 09.11.2004 bewilligte die Beklagte Arbeitslosengeld II und Kosten der Unterkunft für die Zeit vom 01.01.2005 bis 30.04.2005 in Höhe von insgesamt 452,20 EUR. Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 16.11.2004 Widerspruch ein, im Wesentlichen mit der Begründung, dass er aufgrund seiner Erklärung nach § 428 SGB III Vertrauensschutz genieße. Ihm sei gesagt worden, dass die Arbeitslosenhilfe ohne Abschlag bis zum Rentenantrag gezahlt werde.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24.06.2005 zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass der Vertrauensschutz, der dem Kläger aus § 428 SGB III zu gewähren sei, sich nicht auf die Leistungshöhe, sondern darauf beziehe, dass überhaupt Leistungen bezogen werden könnten, ohne dass Arbeitsbereitschaft bestehe. Diese Regelung bestehe auch durch § 65 Abs. 4 SGB II weiterhin fort.

Dagegen erhob der Kläger am 15.07.2005 Klage. Zur Begründung trägt er vor, dass sich der Vertrauensschutz nicht nur auf die Leistung dem Grunde nach, sondern auch auf die Leistungshöhe zu beziehen habe. Gerade im Falle der Arbeitslosen, die eine Erklärung nach § 428 SGB III abgegeben hätten, stelle sich das SGB II und die damit verbundene Absenkung als verfassungswidrig dar. Es liege ein Verstoß gegen Art. 14 Grundgesetz (GG) vor.

Der Kläger beantragt,

die Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 09.11.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.06.2005 zu verurteilen, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 723,23 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass Ihre Entscheidungen rechtmäßig sind.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Leistungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakte Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Diese Bescheide sind nicht rechtswidrig. Die Beklagte hat die Leistung des Klägers zutreffend berechnet. Insbesondere hat der Kläger keinen Anspruch auf Leistungen in Höhe der bis zum 31.12.2004 gezahlten Arbeitslosenhilfe. Unstreitig hat die Beklagte die Leistung entsprechend den geltenden Vorschriften des SGB II berechnet. Ein über den dort vorgesehenen hinausgehenden Leistungsanspruch kann der Kläger weder aus verfassungsrechtlichen Erwägungen, noch aus dem Umstand, dass er im Jahre 2004 eine Erklärung nach § 428 SGB III abgegeben hat, herleiten.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Entscheidung des Gesetzgebers, die Arbeitslosenhilfe abzuschaffen und stattdessen Leistungen nach dem SGB II zu gewähren, hat die Kammer nicht. Der aufgrund der Abschaffung der Arbeitslosenhilfe zum 31.12.2004 vom Kläger gerügte Verstoß gegen Artikel 14 Abs. 1 GG liegt bereits deshalb nicht vor, weil das Institut der Arbeitslosenhilfe nicht dem Schutz der Eigentumsgarantie unterlag. Denn die Arbeitslosenhilfe war - ebenso wie nunmehr die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach §§ 19, 20 SGB II - durch das Merkmal der Bedürftigkeit und durch die (ausschließliche) Finanzierung aus Steuermitteln geprägt. Insbesondere die Abhängigkeit des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe von der Bedürftigkeit des Arbeitslosen zeigt, dass weniger ein durch eigene Leistungen im Sinne der Ausschließlichkeit erworbenes Recht (vgl. hierzu Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 16.07.1985 - Az.: 1 BvL 50/80, 1 BvR 1023/83, 1 BvR 1052/85, 1 BvR 1227/84; BverfGE 69, 272 bis 315) als eine Schutz- und Fürsorgeleistung verwirklicht wurde, die von der "Entwicklung der tatsächlichen und persönlichen Verhältnisse" abhängig (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 04.09.2003 - Az.: B 11 AL 15/03 R, NZA 2004, 200, n.w.N.) und nach ihren Strukturprinzipien in weiten Teilen der Sozialhilfe vergleichbar war (so auch LSG ...

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