Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenversicherung. Befreiung von der Versicherungspflicht. Rechtsanwältin. anwaltliche Tätigkeit. keine eigene Entscheidungsbefugnis

 

Orientierungssatz

Wenn eine Rechtsabteilung weder über eine eigene Entscheidungskompetenz verfügt, noch eine wesentliche Teilhabe an den Entscheidungsprozessen im Unternehmen hat, liegen die Voraussetzungen für eine Befreiung der beschäftigten Juristen von der Versicherungspflicht nicht vor.

 

Nachgehend

BVerfG (Nichtannahmebeschluss vom 22.07.2016; Aktenzeichen 1 BvR 2534/14)

BSG (Urteil vom 03.04.2014; Aktenzeichen B 5 RE 13/14 R)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.

Die Klägerin ist seit dem 01.02.2000 bei der Beigeladenen, die damals noch unter dem Namen A. J. & H. C. GmbH firmierte, im Bereich Legal Services tätig. Seit dem 18.09.2009 ist die Klägerin bei der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf als Rechtsanwältin zugelassen und Mitglied des Versorgungswerkes.

Am 19.11.2009 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. In dem Antragsformular gab sie unter Punkt 2 an, dass sie berufsspezifisch beschäftigt als Rechtsanwältin angestellt sei. Dem Antrag war eine Stellenbeschreibung der Beigeladenen vom 07.04.2009 beigefügt. Darin hieß es, zu den Aufgaben der Klägerin gehöre die Betreuung und unterstützende rechtliche Beratung zu versicherungsrechtlichen Fragestellungen bei der Einrichtung, Durchführung und Änderung von Versorgungswerken und Vergütungssystemen. Die Klägerin müsse in diesem Zusammenhang steuer-, arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Fragestellungen beantworten sowie selbständig Vertrags- und Einigungsverhandlungen mit Geschäftspartnern führen. Sie vertrete das Unternehmen als Referentin zu abstrakten Regelungskomplexen bei diversen Vorträgen und sei auch für die schriftliche Aufarbeitung anspruchsvoller rechtlicher Grundsatzarbeit sowie deren Bekanntgabe und Erläuterung zuständig. Im Rahmen ihrer Tätigkeit sei die Klägerin außerdem befugt, an wesentlichen Abstimmungs- und Entscheidungsprozessen in Bezug auf die Beantwortung steuer-, arbeits- und sozialversicherungsrechtlicher Fragestellungen teilzuhaben.

Die Beklagte forderte daraufhin von der Klägerin eine Kopie des Arbeitsvertrages, einer Freistellungserklärung nach § 14 BRAO, einer Kopie der Stellenausschreibung und des Stellenanforderungsprofils, welche die Klägerin unter dem 08.02.2010 übersandte. Mit der vorgelegten Stellenausschreibung der Beigeladenen wurde ein/e Jurist/in in dem Bereich der betrieblichen Altersversorgung gesucht. Darin hieß es u.a.: "Wir wenden uns vor allem an Juristen, die erste Berufserfahrung bei einem BAV-Berater, einer WP-Gesellschaft oder einem Lebensversicherungsunternehmen erworben haben". Außerdem wurde eine weitere Anzeige übersandt, mit der unter Angabe der Hauptaufgaben und des Anforderungsprofils für die Zeit ab dem 01.12.2007 ein/e "Volljurist/in betriebliche Altersversorgung (VZ/TZ)" gesucht wurde. Ferner hieß es in dem übersandten Anstellungsvertrag vom 26.01.2000 unter §1 Tätigkeit: "1. Sie werden für unser Haus ab dem 01.02.2000 als juristische Mitarbeiterin tätig werden." Unter § 6 Nebenbeschäftigung hieß es zudem unter Ziffer 1: "Sie werden A. Ihre volle Arbeitskraft widmen und unsere Interessen fördern. Irgendeine weitere entgeltliche oder unentgeltliche Beschäftigung bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung von A. [ ]".

Mit Schreiben vom 24.02.2010 wandte sich die Beklagte an die Beigeladene und bat um Prüfung der Stellenbeschreibung vom 07.04.2009, um eine ausführliche Beschreibung des Tätigkeitsfeldes der Rechtsentscheidung und um Mitteilung, ob nebenberufliche Beschäftigungen der vorherigen schriftlichen Zustimmung bedürfen. Zudem wies die Beklagte daraufhin, dass eine anwaltliche Tätigkeit erst ab dem Zeitpunkt der Zulassung als Anwältin zum 18.09.2009 möglich wäre. An die Erledigung der Anfrage wurde unter dem 06.04.2010 und 05.05.2010 erinnert.

Unter dem 11.06.2010 teilte die Beigeladene mit, die Klägerin sei mit der Auslegung von rechtlichen Vorschriften zum Zwecke der Erarbeitung unternehmerischer Leitlinien, z.B. für die Kundenberatung zur Bildung einheitlicher Hausmeinungen, befasst und habe diesbezüglich Entscheidungskompetenz. Sie fertige auch rechtliche Stellungnahmen und Gutachten als Entscheidungsvorlagen für die Geschäftsführung und andere Abteilungen an und sei am Abstimmungsprozess für die zu treffenden Entscheidungen beteiligt. Außerdem erklärte der Arbeitgeber in diesem Schreiben unwiderruflich das Einverständnis damit, dass die Klägerin neben ihrer Tätigkeit als Angestellte eine Anwaltspraxis ausüben darf, sie sich auch während der Arbeitszeit zur Wahrnehmung anwaltlicher Termine und Besprechungen jederzeit vom Dienstplatz entfernen darf, ohne eine Erlaubnis einzuholen u...

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