nicht rechtskräftig

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das SGB II (Hartz VI Gesetzte) sieht im Rahmen einer Bedarfsgemeinschaft gegenseitige Unterhaltspflichten und damit verbundene Leistungseinschränkungen für die nichteheliche Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau vor. Für die gleichartige Lebensgemeinschaft zweier homosexueller sind entsprechende Leistungskürzungen nicht vorgesehen. Dies stellt einen verfassungsrechtlich unzulässigen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetz dar, denn heterosexuelle Paare werden durch die Regelungen des SGB II gegenüber homosexuellen Paaren benachteiligt.

2. Unabhängig davon reicht das Zusammenleben eines Mannes und einer Frau in einer gemeinsamen Wohnung – nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – zur Annahme einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II nicht aus und rechtfertigt daher noch keine gegenseitige Anrechnung von Einkommen.

 

Nachgehend

LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 21.04.2005; Aktenzeichen L 9 B 6/05 SO ER)

 

Tenor

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, den Antragstellern im Wege der einstweiligen Anordnung 80 % der den Antragstellern nach dem SGB II zustehenden Leistungen ab 01.01.2005 – bis zur Entscheidung über den Widerspruch vom 18.01.2005 – zu gewähren. Die Antragsgegnerin trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller.

 

Tatbestand

I.

Die Antragsteller bezogen bis zum 31.12.2004 Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Bestimmungen des Bundessozialhilfegesetzes. Einen Antrag auf Leistungen zur Grundsicherung für erwerbsfähige Leistungsberechtigte lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 06.01.2005 mit der Begründung ab, die Antragsteller lebten mit dem Vermieter der Antragsteller, Herrn I, in „häuslicher” und „wirtschaftlicher” Gemeinschaft. Das Einkommen von Herrn I sei daher bei der Ermittlung des Anspruchs der Antragsteller zu berücksichtigen.

Gegen den Bescheid haben die Antragsteller am 18.01.2005 Widerspruch erhoben und das Bestehen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft bestritten. Über den Widerspruch ist bislang nicht entschieden worden.

Unter dem 10.02.2005 haben die Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Sie haben ausgeführt, eine eheähnliche Lebensgemeinschaft der Antragstellerin zu 1) mit Herrn I bestehe nicht. Die Antragstellerin zu 1) sei mittlerweile auch zu ihrer Schwester gezogen. Weil die Antragsteller derzeit keine Leistungen bezögen, seien sie auch nicht krankenversichert.

Die Antragsteller beantragen sinngemäß,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern Leistungen nach dem SGB II – nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften – zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie hat vorgetragen, sie habe ihren Außendienst mit einer häuslichen Prüfung beauftragt. Der Mitarbeiter des Außendienstes habe Herrn I am 08.12.2004, nur mit Unterwäsche bekleidet, in der Wohnung der Antragsteller angetroffen. Bei einer weiteren Besichtigung der Wohnung der Antragsteller am 06.01.2005 habe sich im Schlafzimmer ein für 2 Personen hergerichtetes Doppelbett gefunden. Außerdem habe man Kleidung von Herrn I in der Wohnung der Antragsteller gefunden. Nach Alledem sei man zu der Überzeugung gelangt, dass zwischen den Antragstellern und Herrn I eine „häusliche” und „wirtschaftliche” Gemeinschaft bestehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 SozialgerichtsgesetzSGG – kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweiligen Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

Der insoweit zulässige Antrag hat in der Sache Erfolg.

Die Antragsteller haben zunächst einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, indem sie vorgetragen haben, dass sie derzeit keine Leistungen beziehen und auch nicht krankenversichert sind.

Im Übrigen ist auch ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht worden. Die Antragsteller haben nämlich offensichtlich – dem Grunde nach – Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II.

1. Dem Leistungsanspruch steht – im Rahmen der hier gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage – nicht entgegen, dass die Antragstellerin zu 1) möglicherweise mit Herrn I in einer – wie es die Antragsgegnerin ausdrücklich nennt – „häuslichen und wirtschaftlichen Gemeinschaft” lebt. Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung festgestellt, dass das Bestehen einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft nicht den Tatbestand der „eheähnlichen Lebensgemeinschaft”, wie er in § 7 Abs. 3 Nr. 3 b SGB II genannt ist – erfüllt (vgl. z. B. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 2. September 2004, Az.: 1 BvR 1962/04, www.juris.de; Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 17. November 1992, Az.: 1 BvL 8/87, www.jur...

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